Coq Rouge
Fall nicht anzudeuten, daß wir unser Wissen von den Syrern haben. Das würde für unseren Informanten nämlich zu gewissen Komplikationen führen. Es gibt jedenfalls keinen Anlaß zu glauben, daß die Syrer den Sachverhalt bestätigen, falls er nicht zutrifft. Syrien hat, beim Allmächtigen und Barmherzigen, keinerlei Grund, Israel zu beschützen. Auf diesem Weg gibt es folglich eine Möglichkeit, zu einem positiven Ergebnis zu kommen, aber das müssen wir Ihnen überlassen. Jetzt wollen wir fortfahren und sehen, ob wir unsere Zusammenarbeit noch fruchtbarer gestalten können. Haben Sie schon mal etwas von ›Gottes Rache‹ gehört?« Carl schüttelte den Kopf.
Abu al-Houl unterbrach seinen Bericht und bestellte türkischen Kaffee.
Nach weniger als dreißig Sekunden war einer der Wachtposten mit einer klassischen Messing-Kaffeekanne und drei kleinen Tassen wieder da. Der Mann goß erst Abu al-Houl ein, dann Carl und dann dem Mann, der sich Michel nannte.
»Gottes Rache« sei eine Spezialabteilung des Mossad, die zu der Zeit geschaffen worden sei, als Golda Meir israelische Premierministerin war.
Anfang der siebziger Jahre war die Abteilung am aktivsten gewesen. Sie verfolgte eine Doppelstrategie. Erstens konzentrierte man sich darauf, palästinensische Intellektuelle in Europa auszuschalten. Also nicht solche Leute, die mit militärischen Operationen zu tun hatten, sondern Intellektuelle, die Propagandaarbeit betrieben, Journalisten, Dichter, Schriftsteller. Dieses in operativer Hinsicht sehr kompetente Spezialkommando des Mossad hatte eine beunruhigend lange Serie von Morden verübt. Daneben wurde die Strategie verfolgt, die fraglichen Morde den mit der PLO rivalisierenden Palästinenser-Gruppen in die Schuhe zu schieben. In der Öffentlichkeit sollte der Eindruck entstehen, daß die Palästinenser sich gegenseitig umbrächten.
Ein israelischer General und enger Freund Golda Meirs, Aharon Zamir, leitete die Abteilung bis 1973, als es zum ersten schweren Rückschlag kam, nämlich dieser Lillehammer-Geschichte in Norwegen. Daß die falsche Person erschossen worden war, wie es damals hieß, war an und für sich nicht so schlimm, daß jedoch ein halbes Dutzend Operateure dabei geschnappt wurden, war eine Katastrophe, da sie vor ein norwegisches Gericht gestellt werden mußten. Das Ganze endete damit, daß Aharon Zamir, der damals selbst in Norwegen gewesen war, entlassen wurde und daß die Abteilung auf Eis gelegt wurde.
»Gottes Rache«, fuhr Abu al-Houl fort, sei inzwischen jedoch reaktiviert worden. Der Mord an dem palästinensischen Botschafter bei der Sozialistischen Internationale, Hissam Sartawi, verrate in mancherlei Hinsicht die unverkennbare Handschrift von »Gottes Rache«: Die Aktion sei technisch perfekt durchgeführt worden, und in der Geschichtsschreibung werde es wieder heißen, daß Palästinenser sich gegenseitig umbrächten, daß die verhandlungsbereiten Palästinenser stets von der blutdürstigen Falange ermordet würden, die für immer einen entscheidenden Einfluß auf die Palästinenser hätten, et cetera.
Es gebe jedoch einen interessanten operativen Unterschied. Der Mißgriff von Lillehammer bestand darin, daß man zu viele Amateure an dem Unternehmen beteiligt hatte. Die Mörder entkamen. Sie waren ja Spezialisten und traten in solchen Situationen sicherer auf, aber die Männer, die die Aktion vorbereitet hatten, wurden geschnappt. Das Fiasko von Lillehammer hatte für Israel folglich sehr spürbare Auswirkungen. Der Mord an Hissam Sartawi mußte jedoch ohne jede Einmischung von Amateuren ausgeführt worden sein. Und mit der Regierungsübernahme Menachem Begins vor einigen Jahren war Aharon Zamir wieder in Gnaden aufgenommen und als Abteilungsleiter des Mossads wiedereingesetzt worden.
»Aus diesem Grund«, schloß Abu al-Houl seinen Bericht, »habe ich hier den Angaben über die Geschichte der Tokarew-Pistole einiges Material über ›Gottes Rache‹ und Aharon Zamir beigelegt. Es ist für mich angenehm gewesen, eine Zusammenarbeit mit dem schwedischen Sicherheitsdienst zu beginnen. Sollten Sie wieder mit uns Kontakt aufnehmen wollen, zögern Sie nicht. Falls wir über den Mord in Stockholm noch etwas erfahren, werden wir es Ihnen persönlich mitteilen, Mr. Hamilton.«
Abu al-Houl erhob sich, hielt Carl einen bärenstarken Arm hin und drückte ihm fest die Hand.
Der Mann, der sich Michel nannte, schob Carl sanft aus dem Zimmer. Sie gingen in der Dunkelheit den langen Korridor
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