Coq Rouge
abgegebenen Schüsse gibt darüber Auskunft, daß beide die Magazine ihrer Pistolen leergeschossen haben, Waffen mit dem Kaliber 7,62.
Hier ergeben sich zwei Fragen. Warum vierzehn Schüsse abfeuern, warum stehenbleiben und Aufsehen erregen und die Operation verlängern, womit man das Risiko eingeht, von mehr Zeugen als unbedingt notwendig gesehen zu werden? Und warum Pistolen verwenden, so daß der Tatort mit Patronenhülsen übersät ist, warum keine Revolver?
Der palästinensische Analytiker hatte hier zwei Schlußfolgerungen gezogen, um seine eigenen Fragen zu beantworten. Der Tathergang, nämlich immer wieder auf einen schon toten Menschen zu schießen, lasse sich nicht als sonderlich professionelles Verhalten bezeichnen, da es auf Haß und/oder persönliche Rache hindeute.
Der Mord sei mit anderen Worten so ausgeführt worden, daß er als »arabischer Racheakt« erscheine, und um diesen Eindruck zu verstärken, wurden nichtisraelische Waffen verwendet.
An den folgenden Tagen faßt man einige der eher peripheren Figuren der operativen Einheit. Es sind sechs Personen unterschiedlicher Nationalität, aber jüdischen Glaubens: Marianne Gladnikoff, 1943 geboren, Schwedin, Sylvia Rafael, 1937 in Südafrika geboren, Abraham Gehmer, 1937 vermutlich in Österreich geboren, Dan Aerbel, 1937 in Dänemark geboren, Zwi Steinberg, 1943 vermutlich in Israel geboren, sowie Michael Dorf, 1946 in Holland geboren.
Sie erhielten für den Mord, der vor Gericht »fahrlässige Tötung« genannt wurde, mehr oder weniger symbolische Strafen; nach eineinhalb Jahren befand sich keiner von ihnen mehr in einem norwegischen Gefängnis.
Von diesen Festgenommenen hatte keiner eine herausragende Funktion bei dem Unternehmen gehabt, und sie waren alle Amateure. Nach der Festnahme der Schwedin und des Dänen - nämlich als sie einen ihrer Mietwagen zurückgeben wollten, ein unfaßbarer Fehler - begannen sie fast sofort zu gestehen, die Mittäterschaft an dem Mord jedoch von sich zu weisen.
Der Mossad hatte sich also eines gemischten Kommandos bedient, bei dem mehrere Amateure Handlangerdienste leisten mußten, nämlich Wagen mieten, Zeitungen tragen, telefonieren und eine Reihe einfacherer Beschaffungsaufträge erledigen. Und es waren ausschließlich solche Amateure festgenommen worden, während der besser ausgebildete Teil des Kommandos über Schweden nach Israel verschwand.
Wären die Festgenommenen Profis gewesen, hätten sie bei den Vernehmungen überhaupt nichts gesagt, und dann hätte man sie auch nicht verurteilen können. Möglicherweise hätte man den Skandal dann vertuschen können.
Von einem rein operativen Standpunkt aus war es auch interessant, daß der Erschossene keinerlei Verbindung zu Palästinensern besessen hatte. Er hatte seit seiner Ankunft in Norwegen in Liliehammer als Kellner gearbeitet. Für die Israelis stellte er jedoch ein ernsthaftes Ziel dar, weil einige der Amateure einen arabischen Touristen von Oslo nach Liliehammer beschattet und dabei beobachtet hatten, daß dieser sich ein paarmal mit Bouchiki unterhielt. Das genügte.
Die zur Tat führende Analyse dieser Observierungen war mit anderen Worten ziemlich dilettantisch, was auch mit dieser bizarren Mischung von Amateuren und Profis zusammenhängen mochte.
Operativer Chef der Aktion war ein bekannter Mossad-Offizier namens Gustav Pistauer. Seine engsten Mitarbeiter hießen »Mike« und »Francois«.
Ihre genaue Identität war unbekannt. Chef des ganzen Unternehmens war kein Geringerer als Aharon Zamir persönlich, Leiter von »Gottes Rache«, der auch für die Liquidierung des Marokkaners grünes Licht gegeben hatte.
Aus der Affäre konnten die Israelis wie auch andere die Lehre ziehen, daß es unklug ist, bei einer Operation dieses Umfangs und dieser Zielrichtung Amateure einzusetzen.
Der palästinensische Analytiker fuhr mit seiner nüchternen Durchleuchtung der Affäre fort.
Carl brauchte nicht weiterzulesen. Er hatte bei der Lektüre einige wenige Worte dick unterstrichen und ein Ausrufungszeichen an den Rand gesetzt.
Dieser Abschnitt betraf das Kaliber der Mordwaffen, 7,62 Millimeter ein ungewöhnliches Pistolen-Kaliber; solche Waffen haben meist das Kaliber 7,65 Millimeter, beispielsweise die Walther der schwedischen Polizei.
Aber 7,62 war genau das Kaliber der Tokarew-Pistole. Andere Waffen kamen nicht in Frage. Die Mörder hatten mit Tokarew-Pistolen geschossen.
Und sie waren nachweislich Israelis.
Die palästinensische Analyse, die Carl
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