Coq Rouge
pro-palästinensischen und falschen Angaben nach Hause komme, werde ich mich wohl nach einem neuen Job umsehen müssen.«
»Mach dir keine Sorge. Ein Detail an der Lillehammer-Sache interessiert mich noch, es ist nicht so wichtig, aber da ich Anwalt bin … ich meine die Tatsache, daß die Mörder in Norwegen so geringe Freiheitsstrafen erhielten.
Wäre das auch in Schweden so gewesen?«
»Das weiß ich nicht. Aber welche Teile des Materials lassen sich in deinen Augen am besten mit unserem aktuellen Problem in Verbindung bringen?«
»Daß sie versucht haben, den Mord als Wahnsinnstat erscheinen zu lassen, macht auf mich den Eindruck, sie wollten in ihrer Propaganda durchsickern lassen, daß die verrückten Araber sich gegenseitig umbringen, daß sie blutrünstig sind und so weiter. Es finde, es gibt eine ganz bestimmte Parallele zu eurem Fall. Und was hat euch so sicher sein lassen, daß es Araber sind, wo es in Wahrheit wohl Israelis sein dürften? Das ist ein sehr interessanter Aspekt, wie ich finde.«
»Ist euch bekannt, welche Waffen sie in Lillehammer verwendet haben?«
Carl brachte die Frage vor, als wäre sie von untergeordneter Bedeutung, während er sich gleichzeitig etwas Mineralwasser in sein Weinglas goß. Nur er und Mouna tranken Wein, die anderen hielten sich strikt an Mineralwasser.
»Nein, ihre Waffen wurden ja nicht gefunden, da die Mörder davonkamen«, erwiderte Rashid mißmutig.
Das ist aber interessant, dachte Carl. Entweder haben sie selbst nicht herausgefunden, daß diese drei Hundertstel Millimeter die Tokarew von einem der gewöhnlichen Pistolenkaliber unterscheiden. Oder er tut einfach nur so, um seine Entdeckung zu meiner zu machen und daher wichtiger.
»Soviel ich weiß, haben sie die gleiche Waffe verwendet, ich meine die gleiche Marke und das gleiche Kaliber«, sagte Carl schnell, um es mit einer Überraschung zu versuchen.
Rashid sah ihn verblüfft an.
»Als ich dieses alte Material durchlas, ging das nicht daraus hervor, wirklich nicht. Aber das stärkt ja nur unsere neue These, nicht wahr?«
»Ja, in allerhöchstem Maße. Übrigens, welche Waffen verwenden eure Operateure?«
»Das mußt du Mouna fragen, das ist ihr Ressort«, brummte Rashid.
Mouna dachte kurz nach.
»Unsere Operateure benutzen die Waffen, an die sie gewöhnt sind. Bei leichteren Handfeuerwaffen vermeiden wir die Tokarew, ich selbst habe noch nie eine in der Hand gehalten. Sie soll einige Mängel haben, außerdem ist sie selten, und zudem ist es nicht gerade eine Empfehlung, daß die syrische Armee sie verwendet. Wir verwenden gröbere Kaliber. Die gewöhnlichste Pistole hier bei uns in Beirut ist Colt Automatic, dann gibt es eine Reihe von Leuten, die Browning mit feinerem Kaliber und einiges andere vorziehen. Unser gebräuchlichstes Kaliber ist Kaliber 38 und 9 mm, und das aus rein praktischen Gründen, da der gesamte Nahe Osten mit Pistolen dieser Art geradezu überschwemmt wird.«
»Du selbst hast eine Colt Automatic, wie ich gesehen habe. Darf ich mir die mal ansehen?«
Mouna griff nach ihrer Handtasche, zog die Waffe heraus, die sie Carl mit dem Kolben reichte. Er zog das Magazin heraus und drückte ein paar Patronen in die Hand. Die Patronen hatten keine Herkunftsbezeichnung.
»Wo kommen die her?« fragte er und spielte mit den beiden Patronen.
»Die sind unser Fabrikat«, lächelte Mouna. »Wir haben eine Weile sogar überlegt, sie mit Made in Palestine zu kennzeichnen, aber das hätte sich früher oder später als unpraktisch erwiesen.«
»Aber wenn die Amal dich mit diesen Dingern faßt, könnte das nicht zu Problemen und unangenehmen Fragen führen?«
»Wenn die Amal mich schnappt, gibt es kaum noch Probleme, denn die werden mich sofort töten«, erwiderte sie kurz und blickte aufs Meer.
Sie schlossen die Mahlzeit mit angestrengten Versuchen ab, sich über neutrale Dinge oder über Jugenderinnerungen zu unterhalten. Rashid war an der American University von Beirut zum Juristen ausgebildet worden und hatte 1975 gerade eine eigene Kanzlei eröffnet, als der langandauernde Bürgerkrieg begann. Seitdem hatte die Nachfrage nach juristischem Beistand in Beirut spürbar nachgelassen, und neuerdings hielt Rashid sich das Anwaltsbüro nur noch als Fassade, hinter der er seinen eigentlichen Beruf als Analytiker und Stratege des Jihaz as Rased verbarg. Rashids Vater stammte aus einer sehr bekannten Palästinenser-Familie, und er hatte eine libanesische Christin geheiratet - nein, seine Mutter
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