Coq Rouge
Verhaltensmaßregeln geben, denn wenn ich mich recht erinnere, bist du noch nie in Israel gewesen?«
»Nein, weder als Pilger noch als Spion.«
Der Alte summte munter vor sich hin, als er aufstand, um Whisky zu holen.
Als er mit der Flasche wiederkam, prostete er seinem großen Gemälde mit dem Hahn zu.
»Wie sieht es mit diesen Palästina-Aktivisten aus, die ihr festgenommen habt? Die muß man doch früher oder später freilassen. Wird lustig sein zu sehen, wie Näslund sich da herauswindet. Mit Eis oder ohne?«
»Ohne. Drei von ihnen sind unschuldige normale Aktivisten, na ja, du weißt, welcher Typ. Einer von ihnen ist ein sehr unangenehmer Bursche, der sich in den Kopf gesetzt hat, die Baader-Meinhof-Bande sei die Wahrheit und das Licht. Mit dem Plan Dalet hat er aber genausowenig zu tun wie die anderen.«
»Gibt es irgendwelche legalen Gründe, ihn verurteilen zu lassen?«
»Nein, das glaube ich nicht. In Schweden sind beschränkte Ansichten ja erlaubt, nur Araber können deswegen zu Terroristen werden. Und deine Übertretungen des Waffengesetzes mit deinen Flinten an der Flurwand sind übrigens bedeutend schlimmer als seine. Ich kann also nicht sehen, womit sie ihn zu Fall bringen können. Näslund ist aber sehr darauf bedacht, daß ich gerade bei ihm nach mehr Dreck suche.«
»Läßt sich da was finden?«
»Möglicherweise weitere Beweise dafür, daß er ein Terroristen-Sympathisant ist. Arbeit fürs Archiv sozusagen. Aber an ein Verbrechen glaube ich nicht, vor allem nicht an irgendeine Zusammenarbeit mit den Israelis.«
»Nein, das klingt weniger wahrscheinlich. Wie schön, ich liebe Näslunds Schwierigkeiten, die er in einer Woche oder so bekommen wird. Hier müssen sich Svenska Dagbladet und Expressen schon mächtig anstrengen, um ein anständiges cover up hervorzuzaubern. Das wird mir sogar sehr viel Spaß machen.«
»Wart ihr damals hinter Leuten wie Hedlund her, als ihr die Linke unterwandert habt?«
Mit einemmal wurde der Alte ernst. Bei Carl hielt er diese Frage für brisant.
Der Alte glaubte keinen Augenblick, daß Carl ihn jetzt zu irgendeiner allgemeinen, alles zudeckenden Entschuldigung dessen, was gewesen war, aufforderte.
Der Alte ließ sich mit seiner Erklärung Zeit.
Erstens sei diese Periode in der Geschichte des Nachrichtendienstes beendet. Abgesehen von ein paar operativen Erfolgen sei es keine gelungene Strategie gewesen. Unter anderem habe das damalige Informationsbüro ja den Kommunistischen Verband KFMLr organisiert, und eine Zeitlang hatte man so viele der eigenen Leute in der Spitze der Organisation sitzen, daß man sie total habe lenken können. Das sei der klassische Trick der russischen Ochrana von 1906. So etwas hätte der Polizei nie einfallen können. Für die seien außerdem alle Sozialisten ein und dasselbe, als gäbe es heute noch die Komintern. Durch die Organisation des KFMLr habe man die schlimmsten Extremisten an ein und demselben Ort bequem zusammenfassen können (»KFMLr war sozusagen unser Fliegenfänger«). Bei den begrenzten personellen Möglichkeiten des Ladens sei das eine praktische Lösung gewesen. Eine Überwachung der gesamten Linken mit konventionellen Mitteln hätte sich nie vernünftig organisieren lassen, und dann hätte man auch nie den Weizen von der Spreu trennen können.
Aber. Wenn man die Sache von einem rein operativen Standpunkt aus betrachte, sei es eine nette Geschichte. Eine schöne und klassische Lösung eines klassischen Problems. Dagegen sei es für den Nachrichtendienst nicht gerade nützlich, seine Kräfte auf einem Gebiet zu binden, das eigentlich das Arbeitsfeld der Polizei sei. Das sei auch ein klassisches Problem. Die Direktiven seien jedoch direkt von der Regierung gekommen, erst von Tage Erlander und später von Olof Palme, weil die Regierung ganz einfach kein Vertrauen mehr zur Polizei gehabt habe und weil man besonders Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre Erkenntnisse über die Linke höher bewertete als sonstige Erkenntnisse. Das sei aber schon lange vor der Zeit gewesen, in der die sowjetische Spionage zunehmend aggressiv geworden sei. Die Russen habe man damals völlig vergessen; für die Regierung sei es nur darauf angekommen, Linke zu jagen. Außerdem hätten auch ausländische Kollegen dabeisein und auf dem Markt kaufen wollen, und auch das sei ein operativer Vorteil gewesen.
Carl wurde immer düsterer, während der Alte erzählte, was diesem nicht entging.
»Ich erzähle, wie es gewesen ist, ohne
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