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Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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7,62 mm.
    Das darf nicht wahr sein, dachte er. Das ist unmöglich, es darf nicht wahr sein. Ihn überkam eine Versuchung, die Patronen in die Tasche zu stecken und das Buch zu vergessen, aber ihm ging auf, daß seine Enttäuschung nicht in schiere Dummheit umschlagen durfte. Er legte das Buch mit den sechzehn Patronen auf den Schreibtisch und setzte sich, alle viere von sich gestreckt, in einen der Sessel, während er nachzudenken versuchte. Er war noch nicht weit gekommen, als die Experten in der Küche ihn riefen. Als er die Küche betrat, hatten sie den Kühlschrank zur Seite geschoben.
    »Der Kühlschrank ist fast immer ein sicherer Tip«, erklärte einer der beiden.
    »Wenn sie die Sachen nicht im Kühlschrank versteckt haben, liegen sie dahinter im Staub.«
    Sie hatten einen DIN-A4-Aktenordner mit Briefkopien und einem handgeschriebenen Tagebuch entdeckt.
    »Sollen wir das in eine Plastiktüte stecken und alles auf Fingerabdrücke untersuchen?« fragte der zweite Experte.
    »Nein«, sagte Carl, »aber im Wohnzimmer liegt Munition für eine Pistole in einem ausgeschnittenen Buch. Dafür brauchen wir eine Plastiktüte.«
    Carl hatte Näslund sofort Bericht erstattet; der nahm die Nachricht entgegen, als wäre sie ein kostbares Weihnachtsgeschenk. Anschließend war das ausgeschnittene Buch mit der Munition zum Erkennungsdienst gewandert, um auf Fingerabdrücke hin untersucht zu werden, während Carl sich mit den beschlagnahmten Texten hinsetzte und von neuem Politische Polizei spielte.
    Die Briefe enthielten nichts, was ihn überraschte, abgesehen davon, daß sie in einem erstaunlich guten Deutsch abgefaßt waren. Diese Briefe waren jedoch nur die Spiegelbilder der Antworten, die er schon gelesen hatte. Carl fertigte pflichtschuldigst ein Verzeichnis der wenigen Personennamen an, die in den Briefen vorkamen, jagte die Namen durch den Computer und ließ die Antworten ausdrucken. Anschließend verbrachte er ein paar Stunden mit dem Tagebuch.
    Hedlund war tatsächlich ein leibhaftiger Terroristen-Romantiker. Diese Neigung war jedoch gegen Europa gerichtet, gegen die NATO, gegen den »Faschismus im sogenannten Westdeutschland« und gegen das Monopolkapital und die Polizei in den kapitalistischen Ländern, das heißt in allen Staaten von Schweden bis zu den USA.
    Hedlund bejammerte sich gelegentlich in nur mehr als einer Hinsicht als »einsamen« Mann. Er sei seelisch »vereinsamt« und unter seinen kleinbürgerlichen Genossen einsam mit seiner klaren Erkenntnis. Ferner stehe er allein in seinen Bemühungen, für eine schwedische Stadtguerilla revolutionäre Zellen aufzubauen, und weil er so verflucht einsam sei, könne er den Kampf nicht aufnehmen, et cetera.
    Leider, dachte Carl, gab es auf Seite 97, die vor mehreren Jahren geschrieben worden war, auch einen fröhlichen Hinweis auf den Titel von etwas, was eine Art Rocklied gewesen sein mußte: »Gehen wir Bullen erschießen im Park.« Hedlund hatte eine Bemerkung dazugeschrieben, die kurz und bündig lautete:
    »Einverstanden!«
    Carl notierte pflichtschuldigst Seite und Formulierung des Zitats.
    Er schrieb einen Bericht, der darauf hinauslief, daß nichts in dem beschlagnahmten Text das schon vorliegende Bild verändere. Hedlund sei ein Gewaltromantiker, der sich stark zum westdeutschen Terrorismus hingezogen fühle. Es gebe in Hedlunds Überlegungen jedoch nichts, was ihn mit einem Projekt in Verbindung bringen könne, bei dem mit palästinensischer Hilfe in Schweden eine größere Aktion durchgeführt werden solle. Die Aufforderung »Gehen wir Bullen erschießen im Park« sei zwar vorhanden, spiele aber auf ein altes Rocklied einer schwedischen Punkband an (Carl hatte sich inzwischen in einem Plattenladen nach dem Titel erkundigt; es war ein Gespräch gewesen, das ihn ungewöhnlich verlegen gemacht hatte).
    Er versuchte von neuem nachzudenken. Er rief ungeduldig den Hausanschluß der Techniker an, die sich mit den Fingerabdrücken beschäftigten. Sie waren mit ihrer Arbeit noch nicht fertig, könnten aber schon vorab mitteilen, daß Hedlunds Fingerabdrücke auf der Munition nicht zu finden seien und keinesfalls auf den Buchseiten, die in der Mitte des Buches gelegen hatten, wo die einzelnen Seiten herausgeschnitten waren.
    Carl versuchte sich zu vergegenwärtigen, ob er bei seinem ersten Besuch in der Wohnung tatsächlich in diesem Papierkorb nachgesehen hatte. Er war sich fast sicher. Außerdem hätten doch auch alle anderen, die mit der Hausdurchsuchung

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