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Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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konnte. Die Genossen bei der Zeitschrift Folket i Bild/Kultur front hatten ja sowohl DA wie einen großen Teil seiner Mitarbeiter beim Nachrichtendienst in ganzen Serien ausführlicher Porträts vorgestellt; die Verwicklungen um diese Affäre hatten damit geendet, daß ein paar Genossen von der Zeitschrift ins Gefängnis gingen, während die Regierung versicherte, an dem, was in der Zeitschrift gestanden habe, sei kein wahres Wort, und im übrigen sei es nicht üblich, daß der neue Nachrichtendienst linksgerichtete Organisationen verfolge, und auf jeden Fall habe er völlig andere Direktiven. Sollte es dennoch dazu gekommen sein, dann versehentlich, und im übrigen seien diese Fälle verjährt oder Ausnahmen, die sich künftig nicht wiederholen würden.
    Und jetzt stand also Carl Hamilton, zweiundzwanzig Jahre alt und noch immer Mitglied der Clarté, auf der Terrasse des offiziell pensionierten Alten mit einem Glas hausgemachten Apfelweins in der Hand. Der Fregattenkapitän hatte sich zurückgezogen.
    DA ähnelte seinen Fotos, sah aber in Farbe und Wirklichkeit und in dreidimensionalem, beweglichem Bild eher wie ein pensionierter Apfelpflanzer aus als wie der Chef oder ehemalige Chef des geheimsten Teils des militärischen Nachrichtendienstes. Pensioniert oder nicht, er war im Dienst. Denn auf dem Marmortisch auf der Terrasse lag eine Mappe, die rund fünfzig DIN-A4-Bögen in Maschinenschrift zu enthalten schien. Auf der Mappe standen Carls Name und seine Personennummer.
    DA erzählte eine Weile von seiner radikalen Jugend und seiner einfachen Herkunft, die sich ja von der Carl Hamiltons ganz wesentlich unterscheide.
    Und weil er aus guten Gründen davon ausgehen konnte, daß Carl alles las, was in Folket i Bild/Kultur front über den Nachrichtendienst stand, dieses ganze Zeug von einer »sozialdemokratischen Spionageorganisation« und so weiter, nahm DA diesen Besuch jetzt zum Anlaß, ein paar Dinge richtigzustellen.
    Alle Nachrichtendienste oder Sicherheitsorgane der ganzen Welt, welchem politischen System sie auch dienten, hätten hauptsächlich ein einziges Problem gemeinsam. Man laufe Gefahr, einen so einheitlichen Mitarbeiterkreis zu schaffen, das heißt politisch einheitlich, daß das Blickfeld verengt werde. In Westeuropa sei vor allem typisch, daß die Nachrichtendienste von konservativen Offizieren beherrscht würden, die im Fall Schwedens einen moskautreuen Kommunisten kaum von einem Mitglied des sozialdemokratischen Jugendverbands unterscheiden könnten, oder die im Fall der Bundesrepublik Deutschland unfähig seien, irgendwelche Nuancen zwischen der Baader-Meinhof-Bande und dem sozialdemokratischen Kulturbund zu erkennen, von den homosexuellen Eton-Boys in Großbritannien und deren ständigen Mißgriffen ganz zu schweigen.
    Diese Homogenität führe nicht nur zu mangelnder Effizienz, sie sei überdies unangebracht und sogar gefährlich. In Schweden wolle man nun versuchen, eine etwas gemischtere Gesellschaft zu schaffen, und zu diesem Zweck habe man etwa die Hälfte der Mitglieder aus dem Offizierskorps rekrutiert und die andere Hälfte bei verschiedenen Organisationen der Arbeiterbewegung angeworben. Er, DA, habe persönlich die meisten dieser Anwerbungen verantwortet.
    Im Augenblick bestehe die Gefahr, daß diese Strategie zerschlagen werde.
    Die neue bürgerliche Regierung habe es sich in den Kopf gesetzt, daß konservative Offiziere die einzige national garantiert zuverlässige Bevölkerungsgruppe des Landes seien, und man habe die Skandale der alten Nachrichtendienst-Affäre ausgenutzt, um so den neuen Dienst zu militarisieren, was die Organisation schwerfällig gemacht habe. Und jetzt kämen wir der Sache also etwas näher.
    DA zeigte mit dem Daumen auf Carls Mappe vor sich und erklärte, da er trotz allem noch einen gewissen Einfluß auf den ganzen Laden habe, habe er auch die Absicht, seine eigene Anwerbungspolitik fortzusetzen und gelegentlich den einen oder anderen vernünftigen Mann einzuschleusen.
    Er klappte die Akte auf und holte Carls vierzehn Tage alten Antrag heraus, nach abgeschlossener Grundausbildung zum Marinetaucher an der Seekriegsschule mit der weiteren Ausbildung zum Reserveoffizier der Marine zu beginnen. Hier, sagte der Alte und schlug mit dem Daumen wieder aufs Papier, hier haben wir, wie ich glaube, einen geeigneten Offizier gefunden, der zwar nicht durch und durch konservativ ist, aber aus einer fast verdächtig guten Familie kommt.
    Carl war sprachlos. Er versuchte sich

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