Coq Rouge
unabhängig von Karriere, Ausbildung und familiärem Hintergrund, gibt es ein paar Dinge, die Gegensätze dieser Art blitzschnell überbrücken. Ein Polizistenmord ist in dieser Hinsicht wichtiger als alles andere.
Eine halbe Stunde später stand Carl mit seinen älteren Kollegen Arne Fristedt und Erik Appeltoft vor Folkessons plombiertem Dienstzimmer.
Arne Fristedt, offensichtlich der dienstältere der beiden Kriminalkommissare, hatte automatisch den Befehl über die beiden anderen.
Er nickte seinem Kollegen Appeltoft bestätigend zu, die Plombe am Türschloß zu entfernen.
Sie betraten den Raum, in dem sie jetzt vielleicht die ersten wichtigen Spuren der Mörder oder des Mörders finden würden.
Das Zimmer war perfekt aufgeräumt. Es hatte zwei quadratische Fenster, die so hoch angebracht waren, daß sie keine Aussicht erlaubten. Die meisten Dienstzimmer sahen etwa so aus. Unterschiede gab es nur bei der Zahl der Fenster, entweder eins oder zwei, je nach Dienstrang des Inhabers. Der Grundgedanke dürfte mal gewesen sein, daß man durch Fenster, durch die man nicht hinausblicken kann, auch nicht hineinsehen kann, obwohl es in diesem Fall kaum einen Ort in der Nähe gab, der eine Einsicht in diese Räume hoch oben im zweiten Polizeihaus bot.
Der Schreibtisch war sorgfältig aufgeräumt. Eine Schreibunterlage aus hellem Leder, ein Foto von zwei heranwachsenden Mädchen und einer Frau, wohl deren Mutter. Daneben stand ein Mobile mit sechs hängenden Stahlkugeln. Neben dem Mobile lag ein Bürokalender. Das Zimmer sah dennoch persönlicher und wohnlicher aus als die meisten Diensträume der Sicherheitsabteilung. Das lag vor allem daran, daß die Wände voller Graphiken waren; Axel Folkesson war der Vorsitzende des Kunstclubs der Sicherheitspolizei gewesen.
Im übrigen enthielt der Raum zwei Sessel, eine Leselampe und einen kleinen Tisch. Auf dem Tisch stand ein Aschenbecher, geleert, und neben dem Aschenbecher ein Pfeifenständer mit vier sorgfältig gereinigten Pfeifen. Keine Tabakkrümel, keine Asche.
Am anderen Ende des Zimmers, hinter dem Schreibtisch, stand der große Panzerschrank, das gleiche Modell wie bei allen Beamten des Sicherheitsdienstes. Davor lag ein kleiner Flickenteppich in verschiedenen blauen Farbtönen.
Die drei Männer blieben eine Weile stumm. Erik Appeltoft hob eine der Stahlkugeln hoch und ließ sie dann los, so daß die Pendelbewegung begann; eine Zeitlang war im Raum nichts anderes zu hören als das Klicken der aneinanderschlagenden Stahlkugeln des Mobiles. Arne Fristedt zog ein kleines schwarzes Diktiergerät aus der Tasche.
»Also«, sagte er und schaltete das Diktiergerät ein, »dann fangen wir mal an:
Hausdurchsuchung, nein, quatsch, streich das, sagen wir Besichtigung von Polizeipräsident Axel Folkessons Dienstzimmer. Anwesend: Kriminalkommissar Arne Fristedt, Kriminalkommissar Erik Appeltoft und Polizeiassistent, nein, was zum Teufel bist du eigentlich, streich das mal, also Abteilungsleiter … Abteilungsleiter Carl Hamilton. Es ist 10.16 Uhr, Datum 9. Dezember. Das Dienstzimmer ist in ordentlichem Zustand und wie üblich möbliert. Wir beginnen mit der Öffnung des Panzerschranks. Laut Bescheid des Sektionschefs ist der Code 365- 356-389, und … mach du mal auf, Hamilton … und auch die Ordnung im Panzerschrank ist gut. Auf dem obersten Stahlregal liegt ein leeres Schulterholster für die übliche Dienstwaffe, daneben eine Schachtel mit Munition, fünfzig Stück 7,65 mm, sonst weiter nichts. Auf dem zweiten Regal liegen das Journal und etwas, was eine schriftliche Zusammenstellung bestimmter Beobachtungen zu sein scheint … hm … die offenbar etwas mit terroristischer Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Nahen Osten zu tun haben. Der Bericht, den wir im folgenden A 1 nennen wollen, kann ausländischen Ursprungs sein, die Sprache ist Englisch. Neben dem Bericht liegt eine DlN-A4-Akte mit der Nummer 16 B, die wir im Protokoll als A 2 bezeichnen, und auf dem großen Regal stehen 23 D/N- A4-Aktenordner, numeriert bis 16 A, dann kommt ein Zwischenraum, und dann geht es mit 17 A und so fort weiter. Der untere Teil des Schranks enthält eine weitere Schachtel mit Munition 7,65 mm, ein paar Hausschuhe sowie zwei Notizblocks mit handgeschriebenen Aufzeichnungen. Die Notizblocks bezeichnen wir künftig als A 3.
Die Besichtigung geht beim Schreibtisch weiter. Außer Schmuckgegenständen und Fotos, von denen wir bis auf weiteres annehmen, daß es sich um Familienfotos handelt …
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