Coq Rouge
Zentralcomputer an, der erst die Fragen stellte, wer sich und warum er sich melde. Carl gab seinen Erkennungscode ein und begann eine Arbeit, die ihn weniger als eine Stunde kostete, die aber vor nur zehn Jahren, in einem völlig anderen technologischen Zeitalter, mehrere Tage erfordert hätte, vermutlich sogar für mehrere Personen.
Kurzwarenladen in Sibyllegatan Nummer XX. Wer ist der Eigentümer? fragte er das Immobilien und Adressenregister.
Eigentümer war eine alleinstehende Frau Anfang Fünfzig. Welche nahen Verwandten? fragte er im zentralen Melderegister.
Sechzehn Namen, darunter eine Tochter Anfang Zwanzig, tauchten auf dem grünen Bildschirm auf. Carl studierte die Namensliste und die Adressen.
Einige ältere Verwandte, einige entferntere Verwandte auf dem Land. Nein, die Tochter schien am interessantesten zu sein, aber er speicherte alle Namen.
Welche Angestellten? befragte er die Steuerrolle.
Drei Namen. Zwei ältere Frauen, eine jüngere Frau im selben Alter wie die Tochter. Auch die wurden gespeichert.
Er nahm die Namen der beiden jüngeren Frauen und befragte das Immobilien und Adressenregister, falls unter deren Adressen noch andere Personen wohnten. Die Tochter bewohnte mit einem Studenten eine Zweizimmerwohnung in Hagersten, das im Kurzwarenladen angestellte Mädchen wohnte allein.
Das war Schritt Nummer eins.
Der nächste Schritt war spannender, denn jetzt wollte Carl in das Register des Sicherheitsdienstes hineingehen. Dazu war erforderlich, daß er eine besondere Anfrage eingab, wieder seine Identität nannte, sowie seine security clearance, die darüber entschied, wie tief er in den Geheimnissen des Reiches wühlen durfte. Nach einer Sekunde kam die Antwort: OK.
Darauf prüfte Carl, ob die Personen, die er sich notiert hatte, im Datenspeicher des Sicherheitsdienstes verzeichnet waren.
Die Antwort kam blitzschnell. Ein älterer Verwandter in Vänersborg war Kommunist seit 1946. Die Tochter der Besitzerin des Kurzwarenladens wohnte mit einem siebenundzwanzigjährigen Studenten namens Nils Ivar Gustaf Sund zusammen, der seit sieben Jahren Mitglied der schwedischen Palästina-Gruppen war. Vor zwei Jahren war er Redakteur der Zeitschrift Palästinensische Front gewesen. Sund war dreimal im Nahen Osten gewesen und hatte außer beim letztenmal dabei mehrere Länder besucht.
Beim letztenmal vor zwei Jahren hatte er nur den Libanon besucht. Im übrigen verwies der Computer auf Berichte über Sund, die offenbar im Archiv der Firma gespeichert waren.
Carl dachte eine Weile nach, während er die grünen, flimmernden Texte betrachtete. Falls es einen Zusammenhang zwischen Folkesson und der Tochter der Ladenbesitzerin gab, würde dieser vielleicht zu dem Palästina-Aktivisten weiterführen. Aber warum war die Tochter nicht gespeichert?
Junge Leute dieser Art dürften kaum zusammenwohnen, wenn ihre Interessen stark voneinander abwichen. Bei zwei zusammenwohnenden Zwanzigjährigen war es beispielsweise höchst unwahrscheinlich, daß der eine Clartéist war und der andere Sozi. Warum war das Mädchen nicht gespeichert?
Die sogenannte Gesinnungsdatei ist jedoch alles andere als perfekt.
Gewöhnliche Menschen, gewöhnliche Beamte, müssen erst die Angaben sammeln, bevor sie in den fehlerfreien Computern landen können. Es konnte so gewesen sein, daß man das Mädchen einfach übersehen hatte.
Oder es lag an einer gesetzlichen Formalität. Den Jungen konnte man speichern, weil er diese Auslandsreisen gemacht und bestimmte Führungspositionen bekleidet hatte, das reichte als gesetzlicher Grund aus, ihn im Register zu speichern. Aber sie war vielleicht nur einfaches Mitglied ohne Führungsposition, ohne Auslandsreisen? Das konnte ein Grund dafür sein, daß sie nicht verzeichnet war. Carl ließ sich das Mietshaus in Hagersten geben und betrachtete die Namen der dortigen Mieter. Das Durchschnittsalter war gering, vielleicht untervermietete Wohnungen, niedrige Mieten, Studenten. Carl hatte einen Einfall, glich das Mieterregister mit dem Säpo-Register ab und wurde sofort fündig.
Zwei weitere Personen, die in dem Mietshaus wohnten, waren in der Palästina-Bewegung aktiv. Die Spur aus dem Kurzwarenladen führte also zu vier Palästina-Aktivisten in Hagersten. Da war der Zusammenhang mit der von Folkesson notierten Telefonnummer.
Carl schrieb eine Bestellung beim Archiv nieder, das am nächsten Morgen das Grundmaterial über die vier Aktivisten liefern sollte. Dann schaltete er den Bildschirm aus, zog
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