Coq Rouge
Wohnzimmer. Er wischte sorgfältig den Küchentisch ab und breitete die vertraulichen Akten vor sich aus.
Das Material aus Folkessons Panzerschrank wies hier und da schwache Unterstreichungen mit Bleistift auf. Appeltoft wußte, daß Folkesson solche diskreten Unterstreichungen vornahm; sie hatten vor ein paar Jahren zusammengearbeitet, bevor Appeltoft auf eigenem Antrag von Büro B nach Büro C versetzt worden war, wo er sich mit strategischer Analyse beschäftigte, wie es hieß. Das lief darauf hinaus, daß er manchmal die gesammelten internationalen Erkenntnisse über verschiedene Variationen des modus operandi, das typische Verhaltensmuster von Spionen oder Terroristen, auf dem laufenden halten mußte. Normalerweise war das eine stille Arbeit an der Grenze zur Langeweile, aber er hatte sich aufgrund seiner persönlichen Abneigung gegen Näslund von Büro B versetzen lassen.
Das schwedische Material, mit dem sich Folkesson ein paar Tage vor seinem Tod möglicherweise beschäftigt hatte, war Appeltoft daher mehr als wohlbekannt. Es war ein Memorandum mit der Überschrift Zusammenfassende Darstellung des modus operandi im modernen Terrorismus.
Appeltoft hatte sich einen Notizblock geholt, auf dem er jetzt die Passagen notierte, die Folkesson an dem im übrigen recht dürren Text offenbar interessiert hatten.
Die erste Unterstreichung fand sich im ersten Satz unter der Zwischenüberschrift Indirekter Terrorismus - Ersatz-Terrorismus. Der indirekte Terrorismus richtet sich gegen Menschen oder Objekte, die mit dem Staat oder der Behörde zu identifizieren sind, den die Terroristen angreifen wollen. Die beiden Worte oder Behörde waren unterstrichen.
Am Rand stand hier ein kleines gekritzeltes Fragezeichen. Die nächste Markierung fand sich unter der Zwischenüberschrift Direkter Terrorismus - Repressiver Terrorismus. In dieser Passage ging es um Mord und Attentate sowie die Schwierigkeiten eines Sicherheitsdienstes, solchen vereinzelten Gewalttaten zu begegnen, und am Ende war ein ganzer Absatz unterstrichen:
… Die Gründe für das aus der Sicht des Auftraggebers erfolgreiche Ergebnis dürften vor allem in folgenden Umständen zu finden sein:
a) logistische Unterstützung im Operationsland
b) sorgfältige Planung
c) Schnelligkeit der Operation
d) der direktimportierte Mörder
e) Möglichkeit zu schneller Flucht aus dem Zielland
f) keine unmittelbaren Mittäter im Zielland
Zwei Zeilen waren doppelt unterstrichen, nämlich die mit den Hinweisen auf logistische Unterstützung im Operationsland und den direktimportierten Mörder.
Dann dauerte es noch ein paar Seiten, bis sich wieder eine Spur von Folkessons besonderem Interesse zeigte. Aber bei der Zwischenüberschrift Logistische Unterstützung gab es viele dicke Unterstreichungen. Und die nach Folkessons Ansicht interessanten Passagen waren offensichtlich die folgenden gewesen:
»… internationaler Terrorismus setzt einen langen Zeitraum für den Aufbau logistischer Stützpunkte voraus. Diese Unterstützung ist für eine internationale Terrororganisation von äußerster ‘Wichtigkeit. Eine logistische Unterstützung kann sich in den verschiedensten Formen und Arten manifestieren. Gerade hier spielen die Sympathisanten oder Mitglieder der verschiedenen Organisationen eine große Rolle.«
Das Wort Sympathisanten war dick unterstrichen. Und weiter:
»Der internationale Terrorismus könnte ohne logistische Unterstützung nicht existieren. Bei der Terroristenbekämpfung muß daraus die Konsequenz gezogen werden, die logistische Unterstützung zu beschneiden.
Einige Beispiele für logistische Unterstützung sind:
a) vorbereitende Propaganda,
b) Personen, die Papiere und Reisedokumente herstellen und bereitstellen, welche die Terroristen bei der Fahrt vom Ausgangsland zum Zielland brauchen,
c) Personen, welche die Gewohnheiten des Opfers im Zielland erkunden und darüber Bericht erstatten, beispielsweise Muster des Personenschutzes, Wohnung, Arbeitsplatz, Bewegungsbilder, Fotos von Objekt/Opfer etc.
d) Personen, welche die Attentäter unterstützen, wenn diese sich bei der fahrt zum Zielland in fremden Ländern aufhalten oder sie passieren,
e) Personen, die im Heimatland Reisepapiere beschafft haben,
f) Personen, die entweder im Zielland oder im Ausland Waffen beschafft haben und sie im letztgenannten Fall ins Zielland transportieren,
g) Personen, die im Zielland in Erscheinung treten und für Transporte, Anmietung von Fahrzeugen und so weiter
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