Coq Rouge
der Mörder gewöhnliche blaue Jeans trug, aber du hast etwas von einer graublauen Cordhose geschrieben. Unsere erste Frage lautet also, ob man diese graublaue Cordhose mit gewöhnlichen Jeans verwechseln kann?«
»Absolut nicht«, entgegnete Hestenes. »Das waren ganz passable Hosen, mit denen man sogar in norwegische Restaurants reinkommt, absolut keine Jeans, in Jeans kommt man nicht rein. Und außerdem waren sie heller, bedeutend heller als die meisten Jeans.«
»Aber Jeans können doch ziemlich hell werden, wenn man sie wäscht«, wandte Mathiesen ein.
»Ja«, entgegnete Hestenes nachdenklich, »aber ausgewaschene Jeans sind von ziemlich uneinheitlicher Farbe, und außerdem sieht man die Nähte an den Seiten der Hose. Hier handelt es sich ohne Zweifel um eine gleichmäßig graublaue Farbe. Taubenblau heißt das, glaube ich. Keine Nähte, keine Farbunterschiede. Nein, es waren absolut keine Jeans, nicht mal etwas, was man Cordjeans nennen könnte.«
»Na schön«, sagte Mathiesen, »das war also die Jeans-Frage. Was können wir sonst noch für dich tun?«
»Ich würde gern wissen, ob ihr irgendwelche Hinweise darauf habt, daß norwegische Palästina-Aktivisten oder Palästinenser in Norwegen irgendwelche bewaffneten Aktionen vorbereitet haben. Dann würde ich gern die Beschattung vor Ort mit Hestenes noch mal durchgehen, mir die Pläne ansehen, an denen das Objekt ihn offensichtlich entdeckte. Und dann habe ich noch einige Fragen über die Zeiträume, in denen ihr das Objekt nicht im Auge hattet. Das war’s in etwa.«
Mathiesen wühlte in ein paar Papieren vor sich auf dem Schreibtisch. Die Frage nach einem potentiellen Terroristenanschlag durch norwegische Palästina-Aktivisten hatte er natürlich vorhergesehen.
Die Antwort war jedoch einfach und eindeutig nein. Die norwegische Palästina-Bewegung wurde seit dem Ende der sechziger Jahre von den ML-Leuten beherrscht, also der marxistischleninistischen Partei AKP/ML. Und die ML-Leute widmeten sich strikt und diszipliniert konventioneller politischer Tätigkeit, die hauptsächlich ihre Zeitschrift Klassekampen betraf.
Im Augenblick widmete sich Klassekampen hauptsächlich verschiedenen Frauenfragen, dem Kampf gegen die bürgerliche Kernfamilie, dem Kampf gegen die Pornographie, die man verbieten wolle etc.
Der norwegische Überwachungsdienst konnte über die ML- Leute im großen und ganzen nur Gutes sagen. Sie ließen sich in ihrem Blättchen so leicht studieren. Dort stand vorher mit hundertprozentiger Sicherheit geschrieben, was sie vorhatten. Und die einzigen gewalttätigen Aktionen, in die sie verwickelt gewesen waren, waren ein paar Geschichten im Norden Norwegens, die unzweifelhaft nichts mit Nahost-Terrorismus zu tun hatten.
Es ging da um ein paar Umweltfragen, den Ausbau des Alta-Flusses mit Wasserkraftwerken, Hilfe für die dort oben lebenden Samen, Prügeleien mit Streifenpolizisten und so weiter. Diese Gewalttätigkeit war aber nur gewöhnliche Demonstranten-Randale gewesen, die Weigerung, den Weisungen von Polizeibeamten zu folgen und sich zu entfernen, geschlossene Demonstrantenketten quer über ein paar Straßenabschnitte, wo die Bagger durchfahren sollten, und so weiter.
Zu Gewaltakten kam es bei politischen Extremisten in Norwegen eigentlich nur bei den Hoyregutterne, das heißt den mehr oder weniger nazistischen Grüppchen, die dem Überwachungsdienst Probleme machten. Die Rechts-Gruppen hatten eine Schwäche für Einbrüche in Munitions und Waffenlager der Heimwehr sowie in Dynamit-Vorräte, und es gab ein paar häßliche Beispiele dafür, daß sie tatsächlich Gewaltaktionen begangen hatten. 1977 hatten sie eine Oktober-Buchhandlung in Tromsö in die Luft gesprengt, 1979 hatte einige von ihnen Bomben in eine 1.Mai-Demonstration geworfen, und 1981 war es innerhalb dieser Rechts-Gruppen zu einem Doppelmord gekommen.
Aber in der linken Ecke ging es meist um Frauenkampf. Und was die Palästina-Bewegung betraf, so wurde sie von ML- Gruppen kontrolliert, was im Grunde eine Garantie dafür war, daß es nicht zu Gewalttaten kam. Vom Standpunkt des norwegischen Überwachungsdienstes aus rechnete man eher von schwedischer Seite mit derlei Gefahren oder von eventuellen palästinensischen Terroristen, die auf dem Umweg über Schweden nach Norwegen kamen. Es gab einen Fall, der sich zumindest als terroristische Expedition via Schweden deuten ließ, obwohl es jetzt schon einige Jahre her war. Mochten die Israelis sich in der Lillehammer-Affäre
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