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Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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einmal auf den Zahnputzgläsern Fingerabdrücke gefunden hatte.
    Im Zimmer standen ein weißes Doppelbett mit Messingkugeln an den Bettpfosten, ferner ein Mahagonischreibtisch und eine kleine Sitzgruppe am Fenster. Es schien sinnlos, nach Spuren zu suchen. Das, was ohnehin nicht da war, hatten schon die Leute vom norwegischen Erkennungsdienst nicht gefunden.
    Carl legte den Zimmerschlüssel auf den Schreibtisch, zog sein Jackett aus und trat ans Fenster. Dort unten sah er die Telefonzelle, aber das Licht vom Zimmer spiegelte sich in der Fensterscheibe. Er machte die Zimmerbeleuchtung aus und ging zum Fenster zurück.
    Bis zur Telefonzelle waren es weniger als fünfundzwanzig Meter. Und dort unten hatte also der »unauffällige« Polizist Hestenes Stunde um Stunde gestanden. Man hätte ihn auch dann entdeckt, wenn man nur ein paarmal zufällig aus dem Fenster gesehen hätte. Auf der anderen Seite der Karl Johans Gate verkündete eine Leuchtreklame, daß es drei Grad über Null war. Der Regen prasselte gegen die Fensterscheibe.
    Carl dachte eine Weile voller Reue daran, daß er am Vortag mit seinen Schießkünsten angegeben hatte. Das war dumm gewesen, indiskret und dumm, da jedem Anwesenden klar sein mußte, daß es etliche Jahre Ausbildung erfordert, eine Schnellschußtechnik mit einer schweren Waffe zu entwickeln. Das erste halbe Jahr seiner Ausbildung war nur darauf verwendet worden, bei Schüssen auf stillstehende Ziele eine akzeptable Präzision zu erreichen.
    Die Grundregel lautete, daß einer der ersten beiden Schüsse ein Treffer sein mußte. Der Rest war eher ein Training, das der psychologischen Sicherheit dienen sollte. Man mußte aber schnell treffen, mit einem oder zwei Schüssen, und durfte niemals zögern.
    Ihr seid keine gottverdammten Bullen, vergeßt das nicht. Ihr sollt nicht beurteilen, ob oder wann oder warum oder etwas in der Richtung, wenn ihr einmal in eine Lage kommt, in der ihr mit einer entsicherten Waffe in der Hand dasteht. Der Feind, das sind dann keine verfluchten vollgefixten Nigger, sondern in eurem Fall ist der Feind nüchtern und tödlich. Die Bullen benutzen verschiedene automatische Waffen, Llama Police Special und andere Kanonen, die über mehrere Meter eine Menge Munition verspritzen. Ich will solchen Scheiß nicht in euren Händen sehen, das hier ist kein Spiel, kein Feuerwerk. Also, zwei Schuß, und beide Schuß Treffer.
    Immer und immer wieder, Tausende von Malen auf die Silhouette mit dem roten Herzen. Und trotzdem hatte er bei der ersten Übung unter realistischen Bedingungen gezögert. Es war etwas, was zur Ausbildungszusammenarbeit der Burschen vom FBI mit der normalen Polizei gehörte. Nach zweijähriger Ausbildung nahm man sie in Zweiergruppen nach Los Angeles mit, wo man sie für ein oder zwei Wochen der normalen Polizei zuteilte. »Normale Polizei« war vielleicht nicht die richtige Bezeichnung, denn damit meinte man hier das Einsatzkommando, das bei Überfällen und Wohnungsschlägereien in dem unendlich großen und unendlich düsteren schwarzen Stadtteil Watts eingesetzt wurde. Die Grundregel bei diesen Standardeinsätzen war einfach. Drei Mann an die Wohnungstür, einer direkt davor, je einer an der Seite. Wenn die Tür nach innen aufging, trat man sie auf und rannte direkt ins Zimmer, den Revolver gezogen vor sich. Die Kollegen folgten auf dem Fuß, der eine sicherte den Einsatz schußbereit nach rechts, der andere nach links ab.
    Als Carl zum erstenmal die Mittelposition gehabt hatte, stand er plötzlich vor einer schwarzen Frau in den Zwanzigern, die auf dem einzigen Möbelstück des Zimmers lag, einem unordentlichen Bett, und ihr Kind stillte. Carl senkte seine Waffe verlegen auf den Fußboden und wollte sich gerade entschuldigen, als die Frau unter einem der Kissen mit einer hastigen Bewegung eine vernickelte Pistole hervorzog und im selben Augenblick starb, weil einer der Polizisten hinter Carl ihr zwei Schüsse direkt in die Brust feuerte. Ohne das Kind zu treffen. So wie Carl verhielt sich nur ein Rookie, ein Greenhorn, ein gottverfluchter Anfänger, und der Chefausbilder unten in San Diego hatte zehn Minuten lang über diesen einzigartigen Beweis von totaler Unfähigkeit getobt. Carl war nach diesem Vorfall noch lange düster zumute gewesen, und das aus mehreren Gründen.
    Und dort unten an der Telefonzelle hatte der Norweger mehrere Stunden voll sichtbar gestanden. Im Warenhaus das gleiche. Eine Menschenmenge ist ständig in Bewegung, wer stehenbleibt,

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