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Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Informanten mit noch mehr Wunschdenken gegenüber ihren Vorgesetzten zusammen, und diese wiederholen das Ganze noch einmal, so daß der Präsident am Ende den überzeugenden Eindruck erhält, daß die kubanische Bevölkerung sich wie ein Mann gegen die Unterdrücker erheben werde, sobald sich draußen auf See die Flagge der Vereinigten Staaten zeige; so kam es in der Schweinebucht, wie es kommen mußte: 250 Tote gleich am Strand, der Rest von einer wütenden lokalen Bevölkerung gefangengenommen.) Ein Schweinebuchtler! Und das sollte einen weiteren Beweis für die Gefährlichkeit der Palästina-Aktivisten liefern.
    Carl widerstand einer plötzlichen Versuchung, sich landfein zu machen, auszugehen, Bier zu trinken und sich für die Nacht ein Mädchen zu suchen.
    Er stand auf, ging in die Küche und machte statt dessen Tee. Solange diese Geschichte andauerte, würde es so bleiben.
    Er saß lange mit seinem Teebecher da und versuchte, bei dieser Jagd auf ehemalige Genossen sich selbst zu finden. Er nahm sich die Abschrift des Telefongesprächs von Sund und Ponti vor und las sie wieder von Anfang bis Ende durch. Es war am vernünftigsten, das Gespräch ganz unvoreingenommen zu lesen, wie er es eben getan hatte. Bei einer Konferenz erhält jemand, der für Propaganda zuständig ist, den Auftrag, mit guten Zeitungsleuten Verbindung aufzunehmen, um der Welle allgemein araberfeindlicher Spekulationen entgegenzutreten, möglicherweise auch, um die Ziele der Palästina-Bewegung zu vertreten. Selbstverständlich wird dieser Jemand Ponti anrufen. In der Bewegung kennt jeder seine Veteranen-Vergangenheit bei der Linken und in der Palästina-Bewegung, und außerdem ist er ein einflußreicher Mann in einem der einflußreichsten Medien. Ja? Und dann hört sich das Gespräch genauso an, wie es sich anhörte.
    Und Ponti sagt, er werde »hart zuschlagen« oder etwas in der Richtung? Ja, natürlich, und wenn man ihm die Chance dazu gibt, wird er sie auch nutzen, wenn beispielsweise der Sicherheitsdienst losrennt und vier unschuldige junge Leute schnappt und sie wegen Mordes anklagt.
    Oder?
    Man konnte das Gespräch natürlich auch auf Näslunds Weise lesen, zwar nicht genauso selbstverständlich, aber es war immerhin möglich.
    Aber Erik Ponti als Mörder, als bezahlter Killer? Warum dann nicht auch gleich Jan Myrdal oder ein anderer Schriftsteller?
    Weil die Kehrseite von Pontis Geschichte tatsächlich etwas merkwürdig war. Weil Ponti eine Art Agentenjäger der Linken gewesen war, umschwirrt von seltsamen Gerüchten, die bis in Carls Clarté-Gruppe gedrungen waren, wo man sonst nicht gerade zu flüstern pflegte, wenn die Namen von Genossen und Sympathisanten fielen. Ponti war nie ein gewöhnlicher Links-Aktivist gewesen, und es stimmte ja auch, daß gerade er einen Maulwurf nach dem anderen aufgespürt hatte.
    Carl goß sich ein großes Glas zwölfjährigen Whiskys ein. Dann würde er versuchen zu schlafen. Diese beiden älteren Polizeibeamten, Appeltoft und Fristedt, ließen sich nicht durch irgendwelche Dummheiten beeindrucken.
    Sie schienen durch und durch ehrlich zu sein. Ihre Berufsauffassung war ganz professionell. Aber ihr fast resigniertes Verhalten?
    In einem Punkt hatten sie möglicherweise, um nicht zu sagen höchstwahrscheinlich, völlig recht. Wenn diese Aktivisten und eine Reihe von Palästinensern zum Verhör hereingeschleppt würden, würden sowohl die Verhöre wie alle Hausdurchsuchungen eine Flut neuen Materials ins Haus spülen. Und das war auch nötig. Carl kippte den Whisky, machte das Licht aus und ging im Dunkeln aufs Schlafzimmer zu. Er hatte keine Neigung zu Angst vor der Dunkelheit, im Gegenteil. Er war der wohlbegründeten Auffassung, daß er selbst die Gefahr war, die in der Dunkelheit lauerte.
    Fristedt hatte eine ziemlich billige japanische Digitaluhr, die dafür auf die Sekunde genau ging. Er war zu dem Schluß gekommen, daß es am höflichsten war, wenn er selbst als erster am Treffpunkt erschien, damit eventuelle Beobachter sehen konnten, daß er allein war. Das Restaurant war natürlich nur halbvoll, da es an diesem trüben Abend Anfang Dezember schon dreißig Sekunden vor zehn geworden war.
    Er wählte einen Tisch in einer Ecke, wo man von außen nicht beobachtet werden konnte. Zwei Sekunden nach zehn erschien der Chef der GRU an seinem Tisch, in einen grauen Anzug gekleidet.
    »Ich setze mich, als wären wir alte Freunde«, grüßte er, zog den Stuhl heran und streckte die Hand nach der Speisekarte

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