Coq Rouge
Fall eines Zusammenstoßes mit einem Menschen sicher zwei oder drei gebrochene Rippen und vermutlich starke innere Blutungen bedeutet hätte.
Der Bericht über all diese geplanten Gewalttaten der Palästina-Gruppen war ein Bluff gewesen, nicht nur, weil all diese Pläne unwahrscheinlich waren - angeblich sollten jüdische Kinderheime niedergebrannt, die Synagoge in die Luft gesprengt, Schulkinder getötet, Diplomaten erschossen sowie noch anderes verübt werden -, oder weil sämtliche sogenannten Pläne nur Theorie geblieben waren. Der entscheidende Grund dafür, daß Carl den ganzen Bericht abtun konnte, lag woanders: Er stammte von einem bezahlten Denunzianten. Es wurde in dem Bericht zwar nirgends angedeutet, dort wurde alles vielmehr so dargestellt, als stammten die Angaben aus mehreren und völlig verschiedenen Quellen. Das Ganze roch aber nach einem bezahlten Denunzianten, und mit Hilfe der Computer hatte es nur etwa eine Stunde gedauert, das herauszufinden.
Im Grunde ging es nur um reine Mathematik. Es gab Berichte von sechs verschiedenen politischen Gruppierungen in Stockholm, die mehr oder weniger miteinander verschmolzen. Es gab eine begrenzte Zahl von Zeitangaben. Folglich konnte der Computer schnell und unsentimental den objektiven Umstand klären, daß es nur einer einzigen Person möglich war, alle diese Kenntnisse gleichzeitig zu besitzen.
Als Carl danach das allgemeine Fahndungsregister des Sicherheitsdienstes nach genau dieser Person befragt hatte, hatte der Computer geantwortet, gerade diese Person sei vor Datenspeicherung geschützt. Das bedeutete, daß einer dieser Friedensfreunde und Palästina-Aktivisten, die in diesem Moment in Stockholm tätig waren, nicht zum Gegenstand der sogenannten Gesinnungsschnüffelei geworden war, obwohl er infolge seiner einzigartigen und fleißigen Tätigkeit ein typischer Fall dafür war, was Gesetz und Gesetzeskommentare geradezu als vorbildlichen Fall der Datenspeicherung bezeichneten: »nicht bloß auf der Grundlage bestimmter politischer Auffassungen, aber gleichwohl aufgrund dessen, daß eine solche Person durch ihre Aktivitäten gezeigt hat, daß sie ihre verbrecherischen Absichten ernst meint« (Revolution ist verboten, aber es ist nicht verboten, Mitglied einer Partei zu sein, die eine Revolution befürwortet; jedoch ist es Grund genug, die Sache ernstzunehmen, den Verbrechensverdacht folglich, wenn die fragliche Person eine »leitende Stellung« besitzt oder in mehreren vergleichbaren Organisationen aktiv ist).
Der Computer schützte einen Denunzianten, dessen Namen Carl schon in den gewöhnlichen ergänzenden Mitgliedsdateien der fraglichen Organisationen gespeichert fand.
Das war eine rein juristische Spitzfindigkeit. Menschen können sozusagen »nebenbei« registriert werden. Im Berufsslang der Sicherheitsdienste nennt man das mit einer witzigen Formulierung »Neben-Akkreditierung«. Zu der Zeit, als die Computer noch nicht die Arbeit erledigten, bedeutete das, daß das Register auf »Fahndungsmaterial« verweisen konnte, und beim Fahndungsmaterial, das in einem besonderen Archiv aufbewahrt wurde, gab es Mitgliederlisten verschiedener verdächtiger Organisationen. Aber Mitgliedsverzeichnisse und ähnliches »Fahndungsmaterial« waren im Sinne des Gesetzes nicht »registriert«.
Seit der Machtübernahme der Computer betrug der Unterschied zwischen dem einen oder anderen eine Hundertstelsekunde. Nur die blinkenden Codebezeichnungen oben in der linken Ecke des Computerschirms sagten etwas über die Klassifikation des Wissens aus, das die meisten Staatsbürger Datenspeicherung nennen würden und nichts sonst.
Kurz gesagt: Es lief ein bezahlter Denunziant herum und erfand phantastische Gewaltdrohungen. Dazu wurde er ermuntert und erhielt anschließend neue Aufträge, was zu neuen interessanten Beobachtungen über kommende Gewaltaktionen führte, die jedoch nie Wirklichkeit wurden, und dann wieder zu weiteren bezahlten Aufträgen.
Das ist ein klassischer Fehler, den alle Nachrichten und Sicherheitsdienste begehen. Beim theoretischen Teil der Ausbildung in San Diego hatte man ihnen eine große Menge komischer Beispiele dafür genannt, was im Firmenslang das Schweinebucht-Syndrom heißt. (Die total mißlungene Invasion Kubas zur Amtszeit Präsident Kennedys in der Bay of Pigs etwa wird damit erklärt, daß die Informanten ihr Wunschdenken pflegen, um von ihren Führungsoffizieren bezahlt zu werden; die Führungsoffiziere fassen das Wunschdenken ihrer
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