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Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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kurz.
    Sie setzten sich gegenüber. Er sah, daß der Sohn unter dem linken Auge eine leichte Rötung hatte.
    »Was hast du mit dem Auge gemacht?« fragte er.
    »Ach, so’n Arsch hat gesabbelt: ›Gehn wir Bullen erschießen im Park, gehn wir Bullen erschießen im Park‹.«
    »Hast du dich in der Schule geschlagen?«
    »Ja, aber es war nichts. Stimmt es denn?«
    »Wer hat das gesagt?«
    »Mama.«
    »Wenn das so ist, stimmt es natürlich, aber sie hätte das nicht sagen dürfen.
    Du weißt, wie es ist, ich darf zu Hause nicht über meinen Job reden, wie es mir paßt. Deine Schwestern waren der Meinung, daß es so besser war.«
    »Ja, aber ist es denn wahr? Könnt ihr den Burschen fassen?«
    »Ich hoffe es, weiß es aber nicht. Warum willst du es denn unbedingt wissen?«
    »Du hättest ja der Tote sein können.«
    Das war ein Gedanke, der Fristedt bislang nicht gekommen war. Solange er in der Firma gearbeitet hatte, war dort niemand ermordet worden. In Schweden wurden überhaupt keine Polizisten ermordet, sondern nur in seltenen Fällen von betrunkenen kleinen Gaunern, die den Kopf verloren, totgeschossen. Dies aber war die erste Liebeserklärung seines Sohnes, die er seit mehr als einem Jahr erhalten hatte. Fristedt versuchte, die seltene Gelegenheit zu nutzen.
    »Ich werde heute abend ein Dienstvergehen begehen. Es kann damit enden, daß ich rausfliege und Ermittler im Sittendezernat werde oder beim Diebstahlsdezernat. Ich habe so etwas noch nie getan, ich habe mich immer an unsere verdammten Dienstanweisungen gehalten. Das ist auch der Grund, warum du nie etwas über meine Arbeit hast erfahren dürfen.«
    »Tust du es, um den Mörder zu erwischen?«
    »Ja. Es ist zumindest ein Versuch, eine bessere Spur zu bekommen als die, die wir jetzt haben, denn wir haben bislang nur Dreck, was in ein paar Tagen auch in den Zeitungen stehen mag.«
    »Dann ist es sicher in Ordnung.«
    »Was ist in Ordnung?«
    »Ich meine, ein Dienstvergehen zu begehen.«
    »Ich danke dir für diese Worte. Ich werde dich daran erinnern, wenn unsere Finanzlage eine Erhöhung deiner Apanage verhindert, weil dein Alter bei der Sitte dann eine geringere Gefahrenzulage erhält.«
    »Ist es gefährlich?«
    »Nein, wieso?«
    »Du hast eine Pistole bei dir, das habe ich so gut wie nie bei dir gesehen.«
    »Heute abend jedenfalls nicht. Es ist nicht mein Job, jemanden zu erschießen, sondern zu begreifen, wie diese Geschichte zusammenhängt.«
    »Tust du das?«
    »Nein. Aber ich werde nicht lockerlassen, bis ich es weiß. Ist das in Ordnung, soweit es dich betrifft?«
    »Sehr.«
    »Gut. Sag Mama, daß ich nicht weiß, wann ich heute abend nach Hause komme. Falls es später werden sollte, rufe ich gegen zehn an.«
    Er stand auf und ging auf das Schlafzimmer zu, um ein weißes Hemd und einen besseren Anzug aus dem Schrank zu holen.
    Auf dem Weg zur rumänischen Botschaft pfiff er vor sich hin. Teenager waren manchmal unberechenbar. Der Junge war ja ein Nachzügler und hatte nicht die gleichen Einwände wie seine älteren Schwestern gegen das, was die »Säpo« angeblich mit Umweltschützern und Friedensfreunden machte.
    Für den Jungen war er trotzdem jahrelang mal der »blöde Alte«, mal der »Scheißbulle« gewesen.
    Für eine Stunde, wie er sie eben erlebt hatte, würde Fristedt gern einmal pro Woche ein Dienstvergehen auf sich nehmen.
    Vor dem Eingang an Östermalmsgatan erkannte er zwei Kollegen, die ein Auge auf die Gäste der Botschaft hielten. Als er vorüberging, nickten sie einander diskret zu.
    Fristedt hatte seit mehreren Jahren keinen Botschaftsempfang mehr besucht, aber es hatte sich nichts geändert. Jugoslawisches Zusatzpersonal servierte Getränke, neuerdings fast die Hälfte Alkoholfreies auf besonderen Tabletts.
    Da hatten wohl die Araber das diplomatische Leben beeinflußt. Inmitten des größten Raums stand ein riesiger Tisch mit Lachs, Stör, Kaviar und verschiedenen rumänischen Spezialitäten. Fristedt begnügte sich mit einem Glas Apfelsinensaft, bevor er unter den kleinen Gruppen von Militärs zu suchen begann. Es war ja das Jubiläum der rumänischen Volksarmee, also mußten alle wichtigen Leute hier sein, die meisten sogar in Ausgehuniformen, die dem sonst routinemäßigen Treffen einen etwas operettenhaften Glanz verliehen.
    Aber Jurij Tschiwartschew, vielmehr Oberst Jurij Tschiwartschew, würde mit an Gewißheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Zivil auftreten, wie Fristedt glaubte.
    Er irrte sich. Und das machte die Sache

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