Coq Rouge
die übrigens von Kollegen verhört werden sollten, war man offenbar zu dem Entschluß gekommen, sie noch mindestens eineinhalb Tage in der Haft schmoren zu lassen, bevor man sie verhörte. Bei Personen, die keine Gewohnheitsverbrecher sind, pflegt ein solches Einsperren zu sehr effektiven Ergebnissen zu führen.
»Ich darf sie nicht sehen. Darf mich keinem dieser Leute zeigen, aber ich finde, ihr solltet jetzt so schnell wie möglich mit Anneliese sprechen«, brummte Carl. Näslund hatte befohlen, daß Carl keinem der Festgenommenen unter die Augen kommen durfte, was durchaus verständlich war. Fristedt und Appeltoft hatten die längste Zeit beim Sicherheitsdienst des Reiches hinter sich, und da ließ es sich leichter verschmerzen, daß ihre Gesichter bekannt wurden und ihre Namen in Protokollen standen, als daß Carls Gesicht bekannt wurde und man seinen aufsehenerregenden Nachnamen in dem künftigen Ermittlungsmaterial finden würde.
Fristedt und Appeltoft nahmen den Fahrstuhl zu dem unterirdischen Gang und dann wieder den Fahrstuhl hinauf zu den Haftzellen. Der Oberaufseher hatte beide Abendzeitungen aufgeschlagen vor sich, und einige seiner Kollegen beugten sich über ihn.
»Hallo. Fristedt von der Sicherheit«, sagte Fristedt und hielt seinen Ausweis hoch - er gehörte ja nicht zu den von Person bekannten Polizisten, die hier jeden Tag Festgenommene zum Verhör führten.
Ein Aufseher begleitete sie den Korridor hinunter und schloß die Zellentür auf. Appeltoft und Fristedt wechselten einen schnellen, besorgten Blick, bevor sie die Zelle betraten.
Anneliese Ryden lag der Länge nach auf der Pritsche, in einer Stellung, als schliefe sie, aber ihre Augen waren offen. Sie bewegte sich nicht, als die beiden Männer eintraten. Fristedt und Appeltoft blieben neben der Pritsche stehen, aber sie rührte sich noch immer nicht. Sie atmete ruhig und gleichmäßig.
»Hoch mit dir, Mädchen, Zeit für einen Spaziergang«, sagte Fristedt und berührte behutsam die Schulter des Mädchens.
Sie erhob sich langsam, wie eine Schlafwandlerin, und zog sich ein Paar Turnschuhe mit drei Streifen an. Die Schnürsenkel fehlten. Sie begleitete die beiden Beamten in Appeltofts Zimmer, ohne unterwegs auch nur einen Ton zu sagen. Auf der aufgeräumten Schreibtischplatte stand ein Tonbandgerät, daneben lag eine Mappe mit Unterlagen für das Verhör. Das Verhalten der jungen Frau war nicht sonderlich vielversprechend.
Menschen, die inhaftiert werden, geben sich in der Regel wilden Überlegungen über den Grund der Festnahme hin und sprudeln meist mit Fragen los, wann sie wieder nach Hause kommen dürften, warum man sie festgenommen habe, ob sie einen Rechtsanwalt bekommen hätten, wer sonst noch gefaßt sei, fragen nach allem.
»Setz dich«, sagte Fristedt und nahm hinter dem Schreibtisch Platz. Das Mädchen sank auf den Stuhl auf der anderen Seite, Appeltoft setzte sich etwas weiter weg in einen der Besucherstühle.
»Wie geht es dir eigentlich?« fragte Fristedt weich, erhielt aber keine Antwort. »Es sieht jetzt so aus«, fuhr er fort, »das heißt, wir sollten uns vielleicht erst vorstellen, ich bin Arne Fristedt, und das ist mein Kollege Erik Appeltoft. Wir arbeiten in der Sicherheitsabteilung der Polizei und haben ein paar sehr wichtige Fragen an dich.«
»Bin ich bei der Säpo?« fragte sie und blickte zum erstenmal auf. Ihr Blick flackerte im Zimmer umher. Fristedt nickte und holte tief Luft, bevor er fortfuhr.
»Dies ist kein Verhör. Jedenfalls jetzt noch nicht. Das bedeutet nicht, daß es ohne Bedeutung ist, was wir jetzt sagen, aber es wird nicht in die Protokolle aufgenommen. Verstehst du das?«
Sie nickte und blickte zu Boden. Für Fristedt befand sie sich in einem der tiefsten Schockszustände, die er jemals bei Festgenommenen erlebt hatte, die er in seinen Jahren als Polizeibeamter bei der offenen Arbeit wohl zu Tausenden verhört hatte.
»Dieser Mann«, sagte er und schob ihr ein Bild von Axel Folkesson hin, »hat bei uns gearbeitet und ist vor ein paar Tagen ermordet worden. Hast du davon gehört?«
Sie warf einen hastigen Blick auf das Foto und nickte.
»Hast du ihn gekannt?«
»Nein«, erwiderte sie leise, ohne aufzublicken.
»Hast du ihn je getroffen oder mit ihm gesprochen?«
»Nein, nie.«
»Hast du ihn angerufen oder er dich?«
»Nein, hab ich doch gesagt«, sagte sie mit etwas lauterer Stimme. Gut, dachte Appeltoft, vielleicht wird sie jetzt munter.
»Wir haben jedenfalls Grund zu der
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