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Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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aufwachte. Aber als sie sich aufrichtete, hörte sie - und das wurde zu einer ihrer bleibenden Erinnerungen -, wie es ein paar Stockwerke höher hämmerte und pochte (als Einsatzgruppe Nummer eins die Türfüllung der Wohnungstür der Genossen zertrümmerte).
    Ihr war klar, daß in ihrem Zimmer das Licht eingeschaltet war, aber sie meinte trotzdem zu träumen. Der Anblick, der sich ihr bot, war vollkommen unwahrscheinlich: Das Doppelbett war von grünen Monstern umringt, die große runde Stahlhelme mit schmalen schwarzen Sehschlitzen trugen und Maschinenpistolen auf sie richteten.
    »Polizei! Keine Bewegung, liegenbleiben und nicht rühren!« brüllte das Monster, das am nächsten stand, und im nächsten Moment sprangen zwei der anderen auf sie und Nisse zu, der sich gerade aufzurichten versuchte, und drückten sie beide ins Bett, drehten sie um und bogen ihnen die Arme auf den Rücken.
    Fünf Sekunden später wurde Anneliese nackt und mit Handschellen auf dem Rücken rückwärts zur Wohnungstür geschleift, wo neue Hände sie ergriffen und die Treppe hinunterschleppten.
    Carl sah das ganze Schauspiel von der anderen Straßenseite. Vier oder fünf Polizeibusse waren mit heulenden Sirenen vorgefahren, und ihnen folgten zwei Krankenwagen und ein paar Zivilfahrzeuge. Die Besatzung war auf die Straße gesprungen, hatte die Hecktüren der Krankenwagen geöffnet und dann an den Hauswänden auf der Straßenseite Deckung gesucht, warum, war unbegreiflich, aber alle taten das gleiche.
    Dann waren aus dem Haus Gebrüll, verzweifelte Schreie und aufgeregte Kommandorufe zu hören gewesen, und im selben Moment wurde die ganze Straße in gleißendes Licht getaucht.
    »Warum zum Teufel …?« fragte Carl.
    »Das Licht ist für das Fernsehen, die kriegen sonst keine guten Bilder«, erwiderte Ljungdahl mit einer Stimme, die auf fest zusammengebissene Zähne schließen ließ.
    Als erste Person wurde eine nackte, schreiende und in dieser Szenerie winzig wirkende Frau auf die Straße geschleift. Sie war hysterisch und zappelte vergeblich in den Armen von vier Polizisten ohne Schutzausrüstung. Sie stießen sie in den nächsten Polizeiwagen, ein paar Mann sprangen hinterher und warfen eine Decke über sie. Der Wagen startete mit brüllendem Motor und eingeschalteter Sirene, als im selben Moment ein Mann aus dem Haus geschleppt wurde. Er leistete keinerlei Widerstand.
    »Ich glaube, die erste war die, die du in aller Stille interviewen solltest«, sagte Ljungdahl.
    Carl antwortete nicht.
    »Das wird jetzt wohl nicht mehr so leicht sein«, fuhr Ljungdahl fort, während ein weiteres Mädchen aus der Tür gegenüber auf die Straße geschleppt wurde, während die Blitzlichter zuckten.
    »Die Abendpresse ist auch da«, stellte Ljungdahl fest.
    Wenn man die Männer für die Absperrung der Straße dazuzählte, waren an der Operation hier draußen in Hagersten an die vierzig Mann beteiligt.
    In Uppsala, wo um die gleiche Zeit in einem Studentenviertel sieben Palästinenser festgenommen wurden, war die Streitmacht doppelt so groß gewesen. Wie Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen am nächsten Tag betonten, sei es einer der größten und dramatischsten Einsätze der schwedischen Polizeigeschichte gewesen. Das Unternehmen sei jedoch glänzend und ganz nach Plan verlaufen.
    Nach dem Abtransport der Festgenommenen folgte der nächste Schritt. Die beiden Wohnungen wurden fotografiert und Stück für Stück demontiert: man filzte Kommode um Kommode, Kleiderschrank um Kleiderschrank, Bücherregal um Bücherregal. Alle Gegenstände wurden sorgfältig aufgelistet und dann in schwarze Kunststoffsäcke gesteckt. Den Beschlagnahmungsprotokollen zufolge enthielten diese Kunststoffsäcke 5163 größere und kleinere Gegenstände. Es waren Müllsäcke, wie sie auch bei der Müllabfuhr verwendet werden.
    Die sieben Palästinenser, die man in zwei Studentenwohnheimen in Uppsala geschnappt hatte, brauchten nicht offiziell etwa vorläufig festgenommen zu werden, da sie ausländische Staatsbürger waren: man konnte sie auf unbestimmte Zeit »in Verwahrung nehmen«. Rechtsgrundlage war das Terroristengesetz, das ein solches Vorgehen bei Personen erlaubt, wenn diese für Organisationen in Schweden tätig sein könnten, die in dem Verdacht stehen, Gewalttaten et cetera. Den Palästinensern mußten also bis auf weiteres weder Verbrechen noch Vorbereitungen dazu nachgewiesen werden, und die neugebildete Ermittlungsgruppe in Büro B, die sich um diese sieben zu kümmern hatte,

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