Coq Rouge
beantwortest. Sollten wir uns irren, wird es sich herausstellen. Irren wir uns nicht, kannst du nach deinem Anwalt rufen, und dann wird es sich zumindest am Ende erweisen. Aber Beweise, die es gar nicht gibt, ›schustern‹ wir nicht zurecht. Dann würden weder ich noch die meisten anderen, die ich hier kenne, noch hier arbeiten.«
»Was wird mit mir passieren?«
»Du wirst höchstens eine Woche lang verhört werden, schätze ich. Dann findet ein Haftprüfungstermin statt. Weißt du, was das ist?«
»Ja, ein Gericht entscheidet hinter verschlossenen Türen, ob die geheimen Beweise ausreichen, mich noch länger eingesperrt zu halten.«
»Ja, so ungefähr. Es kann natürlich passieren, daß du in Haft bleibst, aber der Staatsanwalt muß dem Richter seine Gründe vorlegen. Der unerlaubte Waffenbesitz deines Freundes und dein Magazin mit zehn Schuß werden nicht ausreichen. Die Frage ist also, was aus dem Mordverdacht wird.«
»Seid ihr nicht verpflichtet, alle Verhöre auf Band aufzunehmen?«
»Dies ist kein richtiges Verhör, und unsere Kollegen werden dir alle diese Fragen noch einmal stellen.«
»Und warum unterhalten wir uns dann miteinander?«
»Weil mein Kollege und ich andere Aufgaben haben, die mit dem Mord zu tun haben, während du nachher deine sozusagen regulären Vernehmungsbeamten kennenlernen wirst.«
»Wieviele Leute habt ihr festgenommen?«
»Außer euch vieren aus Hagersten sind rund zehn Personen festgenommen worden.«
Sie sah sofort erleichtert aus, atmete hörbar auf. Das war ein wichtiger Hinweis für Appeltoft, der sich bis jetzt Vorwürfe gemacht hatte, zu weit gegangen und zu entgegenkommend gewesen zu sein und den Kollegen möglicherweise ihre nächsten Verhöre verdorben zu haben. Ihre letzte Reaktion ließ jedoch erkennen, daß er seiner Sache sicher sein konnte. Ihn überkam Lust, dem Mädchen die Wange zu tätscheln, aber er verzichtete.
Sie war immerhin sechsundzwanzig. Er stand auf und lächelte sie scheu an.
»Diese Geschichte wird dein Leben lang eine scheußliche Erinnerung bleiben, aber wenn du wirklich unschuldig bist, wie du sagst, bist du in einer Woche draußen, glaub mir. Beantworte nur die Fragen der Vernehmungsbeamten, dann geht alles leichter.«
Dann verließ er den Raum, um Fristedt zu erzählen, warum er der sechsundzwanzigjährigen Apothekenhelferin keine Mittäterschaft bei einem Mord zutraute. Appeltoft fühlte sich erleichtert - aus mehreren Gründen.
Carl hatte sich nach einigem Hickhack Zutritt in die versiegelte Wohnung in Hagersten verschafft. Dort sah es aus, als wäre eingebrochen worden, was strenggenommen auch passiert war. Carl interessierte jedoch nur das Bücherregal, in dem hier und da zwar ein paar Lücken klafften, wo die Beamten an Büchern beschlagnahmt hatten, was einem normalen Beamten des Sicherheitsdienstes auffiel und verdächtig vorkam. Carl war jedoch mehr als in nur einer Hinsicht unnormal. Er konnte jetzt an den Buchreihen entlangschlendern und zustimmend nicken oder grunzend das Gesicht verziehen.
Anfänglich entdeckte er Bücher, die er erwartet hatte, angefangen bei Frantz Fanon über Jean-Paul Sartre, Stefan Beckman bis hin zu Göran Palm; Erinnerungen an die sogenannten sechziger Jahre.
Hier stand aber noch eine Menge anderes, was die Beamten hatten stehenlassen. Zwei kleine Abteilungen im Bücherregal fielen als besonders merkwürdig auf. Erstens standen da acht Bücher, die sich mit Krapotkin beschäftigten.
Das gehörte nicht zur normalen Bibliothek eines Linken; die klassische Bombenleger-Theorie war sogar schon zur Russischen Revolution auf dem Müllhaufen gelandet. Der einunddreißigjährige Gymnasiallehrer Hedlund, der Geschichte und Schwedisch als Hauptfächer hatte, dürfte kaum einen Anlaß haben, in klassischem Anarchismus zu unterrichten.
Die deutschsprachige Literatur war fast vollzählig im Bücherregal geblieben. Die Beamten sprachen kein Deutsch; Carl verglich mit seiner Liste und seinen Erinnerungen. Ja, unter den beschlagnahmten deutschen Büchern waren Werke, die schon auf dem Umschlag verrieten - durch rote Sterne und derlei -, daß sie in sicherheitspolitischer Hinsicht verdächtig waren. Aber rund zehn Bücher mit tristen Umschlägen, erschienen bei einer »Freien Universität« in Bremen, standen noch im Regal. Hier fand sich die gesammelte ideologische Rechtfertigung der Baader-Meinhof-Bande und ähnlicher Organisationen. Es waren Bücher, die man in Schweden nicht einmal in den Buchcafes der Linken
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