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Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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erhielt, wo diese Werke so gut wie ausnahmslos als eine Art Schmutz und Schundliteratur beurteilt wurden.
    Carl sah sich die Erscheinungsjahre verschiedener Bücher an. Das ungefähre Bild sah dann so aus: Ein konventioneller intellektueller Linker Modell 1968 gleitet Ende der siebziger Jahre langsam zu unkonventionelleren Ideen hinüber, nicht nur in Richtung Terrorismus als ideologischer Konstruktion, sondern er beschäftigt sich auch mit Albernheiten wie Psychologie, Traumdeutung und Orgontherapie.
    An der Wand über dem selbstgebauten großen Doppelbett à la IKEA hing ein Zeitungsausschnitt ohne Text. Es war das Foto eines jungen Menschen in Handschellen. Carl erinnerte sich vage an das Bild, betrachtete es näher, stellte fest, daß es amerikanische Handschellen waren, und dann fiel es ihm wieder ein. Es zeigte einen schwedischen Friedensaktivist, der irgendwo in den USA verurteilt worden war, weil er mit einigen anderen in eine Fabrik eingedrungen war und irgendwelche technischen Apparaturen, die bei der Kernwaffenproduktion verwendet wurden, mit Blut beschmiert hatte.
    Zu direkten Aktionen übergehen, dachte Carl. Gegen den kapitalistischen Staat zuschlagen, daß man es sieht und hört, gegen die Schwachpunkte zuschlagen, die repressiven Tendenzen des kapitalistischen Staates hervorlocken, sie dazu bringen, die Maske abzulegen und ihr wahres, blutiges Gesicht zu zeigen, in kleinen Gruppen arbeiten, niemandem vertrauen, verbergt euch mitten im Volksmeer, isoliert euch nicht in allzu seltsamen Berufen oder Verhaltensweisen - Carl hielt in seinem Gedankengang inne und lächelte ironisch über sich selbst -, umgeht die Kontrolle der Massenmedien durch den bürgerlichen Staat, indem ihr sie zwingt, immer wieder die Ergebnisse eurer spektakulären Aktionen sowie die Verfolgung und Rache des Staates darzustellen.
    Ungefähr so. Ungefähr so dachten diese Figuren. Anders Hedlund war kein normaler linker Aktivist und vermutlich ein sehr untypischer Palästina-Aktivist. Er hatte sich als einziger der vier Festgenommenen von Hagersten nicht einschüchtern lassen. Außerdem war in seiner Wohnung das Magazin einer AK 47 gefunden worden. Carl dachte, am Ende nimmt die Sache vielleicht doch noch Gestalt an.
    Appeltoft hatte nicht lange auf Fristedt einreden müssen, um ihn von seiner Schlußfolgerung zu überzeugen. Hätte dieses Mädchen Petra an einer Verschwörung teilgenommen, hätte es sie nicht geradezu erleichtert, daß noch zehn weitere Personen festgenommen worden waren. Es gebe nur eine vernünftige Erklärung, daß sie nämlich sofort gefolgert habe, sie selbst und wahrscheinlich auch ihr Freund seien nur aus Versehen festgenommen worden. Außerdem habe sie gesagt, das Magazin sei kaputt gewesen. Und das habe ja auch Carl sofort festgestellt. Diese Logik sei unumstößlich.
    »Deine Tochter arbeitet in einer Apotheke, nicht wahr?«
    lächelte Fristedt.
    »Ja, und ich kann nicht leugnen, daß mich das irgendwie beeinflußt hat«, erwiderte Appeltoft scheu. »Aber ich habe nicht gemogelt.«
    »Nein, das würde ich keinen Augenblick vermuten«, entgegnete Fristedt schnell, »wollen wir oben einen neuen Besuch machen?«
    Sie hatten zwei Alternativen. Aber als sie in der Abteilung für die Vernehmungen saßen, blieb rasch nur eine übrig. Anneliese Ryden hatte einen Zusammenbruch erlitten, war den Äußerungen der Beamten zufolge völlig apathisch, antworte nicht, wenn man sie anspreche, und außerdem habe sie der Polizeiarzt mit so vielen Beruhigungsmitteln vollgepumpt, daß sie ohnehin kaum zurechnungsfähig sei. Sie liege in ihrer Zelle.
    Anders Hedlund saß ebenfalls in seiner Zelle. Er maulte noch immer und weigerte sich nach wie vor, mit den Vernehmungsbeamten zu sprechen. Er hatte sogar das Angebot abgelehnt, einige praktische Dinge wie Rasierapparat und derlei besorgt zu bekommen. Blieb also nur noch Annelieses Freund, Nils Ivar Gustaf Sund, siebenundzwanzig Jahre, Veteran der Palästina-Bewegung.
    Die ihn vernehmenden Kollegen verließen die Zelle und zuckten die Achseln, als sich Fristedt und Appeltoft nach dem Stand des Verhörs erkundigten. Der Bursche sei ein Jammerlappen, weine und rufe nach seinen Eltern und seiner Freundin und fluche. Es sei schwierig, etwas Vernünftiges aus ihm herauszubekommen.
    Nils Ivar Gustaf Sund sah auch so aus, wie man nach dieser Beschreibung erwarten konnte. Er hatte einen Stoppelbart, unordentliches Haar, war nachlässig gekleidet, hatte blutunterlaufene Augen und sprach im

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