Coq Rouge
wenn man Zug um Zug vorgehe und sie nicht provoziere.
Fristedt und Appeltoft durften sich Petra Hernberg für höchstens zwei Stunden ausleihen. Als sie das kahl möblierte Verhörzimmer betraten, saß sie am Fenster und blickte hinaus.
»Hej, ich heiße Arne, und dies ist mein Kollege Erik«, grüßte Fristedt, als sie hineingingen und sich setzten. »Wir arbeiten hier im Haus an einer anderen Ermittlung, die aber mit deiner Festnahme und der einiger anderer zusammenhängt, und darum möchten wir uns mit dir unterhalten, wenn es dir recht ist?«
Fristedts Ton war korrekt, freundlich und in seiner Selbstverständlichkeit überzeugend. Er besaß die Gabe, nach einer schweren Schuld auf eine Weise zu fragen, daß es sich anhörte, als brauche er ein Streichholz für seine Pfeife.
Sie nickte, stand auf und setzte sich auf die andere Seite des Schreibtischs, an dem Fristedt saß. Sie sah gepflegt aus, süß und gepflegt, und ihre Haltung war eher abwartend als feindselig. Man konnte sie sich leicht in einem weißen Kittel vorstellen, wie eins dieser Mädchen, die in der Apotheke auf einen zukommen, und das war ja auch ihr Beruf. Vielleicht ist sie nur das, dachte Appeltoft, der sich in einiger Entfernung hingesetzt hatte und sie etwas indiskreter mustern konnte.
»Warum habt ihr das mit uns getan?« fragte sie ruhig.
Fristedt blätterte kurz in den Papieren, als wollte er etwas nachschlagen.
»Es war ein großer Einsatz, und wir sind an mehreren Orten zugleich gewesen, was du natürlich nicht wissen kannst«, sagte Fristedt.
Das Mädchen schüttelte den Kopf.
»Du bist des unerlaubten Waffenbesitzes und der Teilnahme an einem Mordkomplott verdächtig, und du hast die Vorwürfe geleugnet, wie ich sehe«, fuhr Fristedt in seinem selbstverständlichen Ton fort.
»Was soll das denn heißen, unerlaubter Waffenbesitz, daran glaube ich nicht, und was soll das mit dem Komplott bedeuten? Glaubt ihr, ich hätte jemanden ermordet?«
Beide musterten sie kurz, bevor Fristedt seine Rolle weiterspielte.
»Was den unerlaubten Waffenbesitz angeht, betrifft das zwei Dinge. Einmal eine Schrotflinte, was ja nichts Besonderes ist, aber kennst du die Waffe?«
»Dieses Ding, das an der Wand hing, aber das ist ja eine Antiquität, eine Art Muskete. Wollt ihr etwa sagen, daß ich deswegen hier sitze …«
»Nun, das Ding können wir außer acht lassen, aber Munition für eine chinesische Maschinenpistole, was hast du dazu zu sagen?« unterbrach Fristedt schnell. Jetzt kam ein wichtiger Moment. Die Kriminalkommissare spannten sich unbewußt an.
Das Mädchen sah konsterniert aus. Sie dachte entweder nach, ohne zu begreifen, worum es ging, oder spielte aber hervorragend Theater.
»Das ist doch Quatsch, so was müßte mir doch bekannt sein?« sagte sie schließlich.
»Ein Magazin für eine chinesische AK 47, du weißt, so ein automatischer Karabiner mit gebogenem Magazin«, fuhr Fristedt ruhig fort.
Jetzt ging dem Mädchen ein Licht auf.
»Ach so«, sagte sie, »wenn es nur das ist. Dieses Ding hat jahrelang in irgendeiner Kiste gelegen. Es ist eine Art Souvenir, vielleicht etwas kindisch und vor allem überflüssig. Das ist aber eine Sache, die ich vor recht langer Zeit aus Beirut mitgebracht habe.«
»Wozu?« fragte Fristedt kurz und selbstverständlich.
»Nun ja, es ist etwas kindisch, aber … äh, es war damals üblich, daß sich die Leute der Bewegung dort unten aus den Patronen der Kalaschnikow oder Klaschinkow, wie sie in Beirut sagen, Halsschmuck machen ließen. Man nahm eine Patrone, durchbohrte sie und hängte sie sich um den Hals. Damit konnte man seine revolutionäre Gesinnung zeigen, ich meine, es war kein Glitzerschmuck.«
»Wer hat dir das Magazin geschenkt?«
»Ein Palästinenser, in den ich ziemlich verliebt war und dessen Namen ich nicht nennen werde.«
»Ach nein. Aber aus dem Halsschmuck wurde offenbar nichts?«
»Nein, wurde es nicht. Der Geschmack ändert sich, könnte man vielleicht sagen. Außerdem wagte Anders kein Loch reinzubohren, weil da was mit dem Zündhütchen war oder so, und damit blieb das Ding liegen, und danach habe ich es bis jetzt vergessen.«
»Aber es war noch ein Magazin dabei?«
»Ja, aber ich glaube, es war kaputt. Außerdem waren die Patronen so ja am besten untergebracht.«
»Warum hast du den Mist nicht weggeworfen?«
»Das hatte ich mal vor, aber dann ist mir eingefallen, daß es vielleicht nicht ganz richtig ist, explosives Zeug in die Mülltonne zu werfen. Der Müll wird
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