Cora - MyLady 329 - Barbour, Anne - Die geheimnisvolle Schöne
kam es, dass er mit ihr, passend gekleidet und hoch zu ROSS, kurz nach acht Uhr den Stallplatz verließ.
»Puh!« rief sie aus und schaute auf ihre Stiefel. »Was für ein Morast! Offenbar hat der Regen gestern Nacht alles aufgeweicht.«
Christopher nickte zustimmend. »Wir halten uns besser auf erhöhtem Gelände.«
»Ja. Vielleicht könnten wir nach Norden reiten. In diesem Gebiet ist Ihr Besitz zumeist bewaldet. Wir könnten Waldhühner zu Gesicht bekommen oder sie zumindest hören. Ich mag es, ihnen zuzuhören, wenn sie Nachrichten über ihre Liebsten austauschen.«
»Bedarf es solcher Geräusche, um Ihre Aufmerksamkeit zu erlangen? MUSS man mit den Füßen auf einen umgefallenen Baumstamm trommeln? Falls das der Fall sein sollte… Schon gut!« Christopher hob die Hand, weil Miss Tate ihm einen strengen Blick zugeworfen hatte. »Betrachten Sie das als ungesagt. Wenngleich ich gestern Nacht, wäre mir bekannt gewesen, dass Ihr Zimmer neben meinem liegt, versucht hätte, gegen die Wand zu trommeln.
Natürlich nur, um mich zu vergewissern, dass Sie tief und fest schlafen«, fügte er hastig hinzu. Sein Lächeln drückte pure Harmlosigkeit aus, doch Gillian fiel es nicht schwer, das verschmitzte Funkeln in seinen grünen Augen zu erkennen.
»Um Himmels willen, Christopher!« erwiderte sie irritiert. »Geht Ihnen der Gedanke an Verführung nicht wenigstens fünf Minuten lang aus dem Sinn?« Sie zog an den Zügeln und wollte umkehren. »Wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich jetzt nach Haus. Sie werden natürlich weiterreiten wollen, also…«
Christopher ergriff die Zügel ihres Pferdes und lachte zerknirscht. »Bitte, Gillian, lassen Sie mich nicht allein. Ich befürchte, ich habe aus Gewohnheit so geredet.« Das Lächeln in seinen Augen war ein sanfter Angriff, und Gillian fühlte sich schwach werden. »Es ist schwierig für mich, in Gesellschaft einer Frau zu sein, die sowohl schön als auch charmant ist, ohne galante Bemerkungen zu machen. Also gut, ohne bedeutungslose galante Bemerkungen zu machen. Ich verspreche jedoch, dass ich das unterlassen werde.«
»Mir dämmert die Erkenntnis, Lord Cordray, dass Ihre Versprechungen so sind wie diese Pfützen – aus dem Augenblick entstanden, austrocknend und verschwindend, sobald die Sonne auf sie hernieder brennt.«
Miss Tate hatte eher belustigt denn verärgert geklungen, doch Christopher fühlte sich unerklärlich gekränkt.
Niemand hatte je in Frage gestellt, ob er ein Versprechen hielt. Schließlich war er ein Gentleman und, was seine Ehre betraf, ausgesprochen empfindlich. Miss Tate wusste doch bestimmt, dass er nur einen Spaß gemacht hatte und nicht ernsthaft in Erwägung zog, ihre Tugend zu gefährden.
»Wirklich, meine Liebe«, begann er, wurde jedoch durch ihre erhobene Hand zum Schweigen gebracht.
»Hören Sie!« rief sie aus. »Was, in aller Welt, ist das für ein Geräusch?«
Er lauschte und hörte sofort ein seltsames donnerndes Tosen, das direkt vor ihm zu sein schien. Man ritt schneller darauf zu, und der Lärm verstärkte sich. Als man um die Kurve kam, die zu der kleinen Brücke über den Fluss führte, hielt man jäh an, und sowohl er wie auch Miss Tate rissen vor Erstaunen die Münder auf.
Vor ihnen war der Fluss. Es war aber nicht mehr das friedlich dahinströmende Gewässer, das man mühelos über die kleine Brücke hatte überqueren können, sondern ein gewaltiger Strom, der sich schäumend und aufspritzend seinen Weg bahnte. Das Wasser war mächtig angestiegen, tobte wie ein wütendes Ungeheuer über die Ufer und versuchte, die ganze Umgebung zu ertränken. Die kleine Brücke war nicht mehr vorhanden.
»Mein Gott!« flüsterte Christopher. »Ich hatte keine Ahnung…« Er war gezwungen gewesen, gegen das Dröhnen des Wassers anzuschreien. »Gewiss, wir hatten ein schreckliches Unwetter, aber wie kann so etwas über Nacht passieren? Ich muss Mr. Jilbert sagen, dass er eine Notbrücke errichten lässt, bis eine neue gebaut werden kann. Oder nein! Ich nehme an, das wird warten müssen, bis die Strömung geringer und der Wasserspiegel gesunken ist. In der Zwischenzeit müssen wir ein Warnzeichen aufstellen. Jeder, der ahnungslos um die Kurve kommt und mit großer Geschwindigkeit hier eintrifft, könnte in den Fluss stürzen.«
Christopher saß ab, häufte Steine am Straßenrand auf und bat Miss Tate dann um ihren besonders hübschen orangeroten Schal, den er, sobald er ihn in Händen hielt, mit einem besonders schweren Exemplar
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