Cora - MyLady 329 - Barbour, Anne - Die geheimnisvolle Schöne
unternehmen.«
Gillian errötete, weil der Wunsch der alten Dame, sie mit dem Earl allein zu lassen, so offenkundig war.
»Ja, ein Morgenritt wäre sehr schön, Mrs. Ferris«, sagte Christopher, ehe Miss Tate Einwände erheben konnte.
»Ich hoffe, Sie stimmen mir zu, Gillian, denn es gibt etwas, das ich mit Ihnen besprechen möchte.«
Ihre Miene war nicht ermutigend, doch sie sträubte sich nicht. Erleichtert fuhr er fort: »Ich leiste Sir Henry Gesellschaft, solange Sie sich für den Ausritt herrichten.«
Rasch kehrte er ins Arbeitszimmer zurück, galoppierte jedoch schon Minuten später mit Miss Tate die Allee hinunter. Die kühle Morgenluft trieb ihr die Röte in die Wangen.
Der Weg führte sie über Land zu einer bewaldeten, hügeligen Gegend gleich hinter dem Gutshof. Auf einer der höchsten Erhebungen hielt Christopher an, schwang sich aus dem Sattel und half Miss Tate beim Absitzen.
»Für mich ist dies hier eine der landschaftlich schönsten Stellen ganz Englands. Und hier gibt es sogar einen Steinbrocken von der Größe einer Ottomane, auf dem wir es uns bequem machen können.«
Zu seiner Enttäuschung schien es Miss Tate nicht zu behagen, dass er sie anfasste. Steif und sichtlich unwillig ließ sie sich mit seiner Hilfe auf dem Steinbrocken nieder.
Was glaubte sie wohl, was er im Sinn hatte? Dachte sie, er habe eine Stelle ausgewählt, um ihr an diesem lieblichen Vormittag Gewalt anzutun? Er setzte sich neben sie, sorgfältig darauf bedacht, ihren Arm nicht zu streifen. Einen Moment lang schwieg er und rief sich ins Gedächtnis zurück, was er sich in den frühen Morgenstunden als Rede ausgedacht hatte.
»Gillian«, begann er zögernd. »Ich muss mit Ihnen sprechen.«
Sie empfand aufsteigende Panik. »Aber wir haben miteinander gesprochen«, erwiderte sie strahlend. Sie wandte das Gesicht ab und betrachtete die Umgebung. »Sie haben Recht, Christopher. Die Aussicht ist wirklich hinreißend.
Ich wundere mich, dass ich nie…«
»Bitte, Gillian«, unterbrach er in nachdrücklicherem Ton.
»Bitte, versuchen Sie nicht, mich wieder aus dem Konzept zu bringen. Ich will Ihnen nur mitteilen, dass ich morgen oder übermorgen Wildehaven verlassen werde.«
Sie wusste, diese Neuigkeit hätte sie zufrieden stimmen müssen. Es war dringend notwendig für sie, dass der Earl of Cordray aus ihrem Leben verschwand, und natürlich war sie über die Ankündigung erfreut, er habe sich seiner Verpflichtungen erinnert. Warum hatte sie dann den Eindruck, jemand habe ihr einen Schlag in die Magengrube verpasst?
»Morgen oder übermorgen?’’ wiederholte sie zaghaft.
Ja. Gewiss, hier gibt es noch sehr viel, was ich gern erledigt hätte, und ich werde irgendwann zurückkommen, um mich mit den Reparaturen und Verbesserungen zu befassen, die Mr. Jilbert angefangen hat. Ich habe jedoch das Bedürfnis, mich um meine anderen Besitzungen zu kümmern. Sie sind zwar nicht vernachlässigt worden, denn ich habe ausgezeichnetes Personal, aber mir ist endlich klar geworden, dass es viele Dinge gibt, mit denen ich mich persönlich befassen sollte.«
Dinge, wie beispielsweise den Corisande zu machenden Heiratsantrag, dachte Gillian und hielt die Tränen zurück, die ihr in die Augen zu schießen drohten. Sie haderte mit sich. In den letzten vier Jahren hatte sie ihre Gefühle gut im Griff gehabt. Warum spürte sie dann jetzt heißes Verlangen nach etwas, das sie nicht hätte benennen können, und alles eines Mannes wegen, um den sie sich keinen Deut scherte?
Jedenfalls nicht wirklich.
Sie zuckte zusammen, als sie merkte, dass Lord Cordray weitersprach.
»Aber ich kann nicht abreisen, ohne Ihnen gesagt zu haben, was ich für Sie empfinde, Gillian. Nanu, was ist denn los?« platzte er heraus, weil sie jäh aufgesprungen war.
»Bitte, Christopher«, antwortete sie atemlos. »Bitte, machen Sie nicht alles kaputt.«
Auch er erhob sich, und sie erschrak über den schmerzlichen Ausdruck in seinen grünen Augen. Sie hatte sich eingeredet, er habe trotz seiner neulich Abend so misslungenen Liebeserklärung und abgesehen von den Gelüsten eines verliebten Gentleman für sein in diesem Moment auserkorenes Opfer keine echten Gefühle für sie. Konnte sie sich geirrt haben? Oh, bitte, Gott! Ich kann mich doch bestimmt nicht getäuscht haben! dachte sie verzweifelt. Sie durfte nicht zulassen, dass Christopher irgendwelche stärkeren Gefühle für sie hegte.
»Alles kaputtmachen?« fragte er leise. »Ist das das Licht, in dem Sie meine
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