Cora - MyLady 329 - Barbour, Anne - Die geheimnisvolle Schöne
seinen blauen Augen an, als bereite er sich auf den Todesstoß vor, und… nun, ich habe ihm gesagt, dass ich in Bezug auf unsere Hochzeit nicht gerade hell entzückt sei. Und dann fragte ich ihn, ob wir nicht wenigstens die Hochzeitsreise nach Spanien oder Italien machen könnten. Ich wolle etwas wirklich Aufregendes tun, ehe ich mich mit einem gemütlichen Leben auf dem Land abfand. Ein paar Tage später hielt ich es nicht mehr aus und nahm Kenneth eines Abends, es war nur etwa eine Woche vor der Trauung, beiseite, um ihm auf sehr taktlose Weise zu verkünden, dass ich beschlossen hätte, ihn doch nicht zu heiraten.« Gillian brach die Stimme. »Wie ich erwartet hatte, war er niedergeschmettert, unternahm jedoch keinen Versuch, mich umzustimmen. Stattdessen schwieg er sehr lange und saß mit gesenktem Kopf da. Schließlich stand er auf, dankte mir ernst für meine Ehrlichkeit, machte auf dem Absatz kehrt und ging aus dem Raum.
Natürlich gab es einen schrecklichen Aufruhr. Der einzige Mensch, der im Dorf noch zu mir zu halten schien, war Kenneth. Er nahm mich bei jeder Gelegenheit in Schutz, besuchte mich und benahm sich wie ein guter Freund. Alles das geschah 1813, als Napoleon in Spanien eingefallen war. An dem Tag, an dem Kenneth und ich hätten getraut werden sollen, gab es im Dorf das Gerücht, er plane, sich der Armee anzuschließen. Als ich ihn darauf ansprach, bestätigte er mir das. Sein Vater hatte ihm ein Offizierspatent gekauft.
Jeder gab mir die Schuld und behauptete, ich hätte Kenneth zu diesem schrecklichen Schritt getrieben.
Natürlich wusste ich, was ihn dazu bewogen hatte. Er war der Meinung, ich fände ihn langweilig, und hatte beschlossen, mir zu beweisen, dass er ebenso forsch und heroisch sein könne wie jeder andere Mann. Ich wollte ihn von seinem Vorhaben abbringen, aber vergebens.
Eine Woche später war er fort.
Es war nicht so, dass ich ihn nicht geliebt hätte«, beteuerte Gillian. »Ich liebte ihn! Wer hätte ihn nicht lieben können? Ich konnte ihn nur nicht auf diese Weise lieben, wie eine Frau den Mann lieben sollte, mit dem sie gern den Rest ihres Lebens verbringen möchte. Mir fehlte einfach das Feuer der Leidenschaft! Ich hatte keine innere Verbindung zu ihm. Und die hätte ich gebraucht.
Er erwarb sich Ruhm. In der Gegend war man stolz auf seine mutigen Taten im Krieg. Irgendwie beruhigte es mich, dass er doch eine leidenschaftliche Seite in seinem Wesen zu haben schien, auch wenn sie mir verborgen geblieben war, aber ich war auch in ständiger Sorge um ihn. Ich hatte Angst, dass er eines Tages unter Fanfarenstößen ausziehen und nicht mehr zurückkehren würde.«
»Und genau das ist passiert«, warf Christopher ein.
»Ja«, bestätigte Gillian tonlos. »Er fiel bei Waterloo.«
»Und das alles ist Ihre Schuld.«
Die Verbitterung in Lord Cordrays Stimme veranlasste Gillian, erstaunt den Blick zu heben. »Ja, natürlich ist alles meine Schuld. Ich hatte Kenneth auf die denkbar grausamste, schändlichste Weise von mir gejagt. Jeder im Dorf sorgte dafür, dass ich mir dessen bewusst war.
Natürlich kann ich das niemandem verargen. Es gab nichts, was sie mir hätten vorhalten können, das ich nicht schon Hunderte von Malen mir selbst vorgehalten hatte.
Jetzt wissen Sie, warum ich mich entschieden habe, hierher zu kommen und so zurückgezogen zu leben. Jetzt wissen Sie, warum ich nicht geheiratet habe.«
»Wie bitte?« fragte Christopher verdutzt. »Ihre Geschichte, ist tragisch, aber ich habe nichts gehört, wodurch Ihre Entscheidung, sich hier abzukapseln, erklärt worden wäre. Trotz Ihrer gegenteiligen Behauptungen habe ich den Eindruck, dass Sie Ihren Kenneth nicht geliebt haben. Klugerweise haben Sie es abgelehnt, ihn zu heiraten, auch wenn es in letzter Minute geschah.
Sie konnten nicht ahnen, dass er einen so dummen, drastischen Schritt unternehmen würde, um, wie jeder vernünftige Mensch sofort gewusst hätte, den vergeblichen Versuch zu unternehmen, Liebe zu wecken, wo es keine Liebe gab. Sie haben ihn als guten Freund gemocht, Gillian, und hätten nicht mehr tun können.«
»Du lieber Gott, Christopher! Kenneth ist meinetwegen in den Tod geritten! Begreifen Sie denn nicht? Ich war seine Liebe nicht wert, weder seine noch die eines anderen Mannes. Außerdem habe ich bewiesen, dass ich innerlich kalt und tot bin, denn, wie so viele Leute mir vorgehalten haben…« Sie lachte kurz auf. »Selbst der Vikar hat unüberhörbar durchklingen lassen, ich könne zur
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