Cora - MyLady 334 - Clay, Merilyn - Miss Tessa aus Amerika
skandalöses Benehmen heute Nachmittag im Hyde Park nicht übergehen.«
Tessa hob das Kinn, und bevor sie noch recht überlegen konnte, quollen ihr die zornigen Worte wie ein Sturzbach aus dem Mund: »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden, Sir. Außerdem passt es mir nicht…«
»Genau das meine ich ja, Miss Darby. Sie haben nicht die geringste Ahnung, wovon ich spreche! Was für eine gute Sache Sie auch verfolgen mögen – es gibt nichts daran zu rütteln, dass eine wohlerzogene junge Dame im Hyde Park eben keine Flugschriften verteilt!«
Tessas Brust hob und senkte sich heftig, ein Umstand, der dem hochmütigen Earl durchaus nicht entging. Eine winzige Sekunde blickte er auf ihren Busen, bevor sich sein wütender Blick wieder in ihre Augen bohrte. Obwohl sie keine Ahnung hatte, warum, befriedigte es sie ungemein, dass er sich von ihrer Weiblichkeit hatte ablenken lassen.
»Solange Sie als Gast in meinem Haus weilen«, fuhr er fort, »werden Sie sich äußerster Sittsamkeit und Schicklichkeit befleißigen.«
»Ich benehme mich immer vollkommen schicklich«, erwiderte Tessa zornig.
Der Earl starrte sie an. »Das wird sich zeigen, Miss Darby.« Er hielt inne und schüttelte den Kopf. »Gott sei Dank passierte es vor der fashionablen Flanierstunde. Mir graut bei der Vorstellung, was geschehen wäre, wenn die vornehme Gesellschaft Sie gesehen hätte.« Seine wohlgeformten Lippen verzogen sich verärgert. »Meine Mutter hat den ausdrücklichen Wunsch, Sie in die Gesellschaft einzuführen. Mir jedoch ist völlig klar, dass es keine leichte Aufgabe sein wird, Sie gut zu verheiraten…«
»Wollen Sie damit sagen, ich wäre unpassend?« rief Tessa empört aus. Gedankenlos platzte sie heraus: »Nur damit Sie es wissen, ich könnte jetzt bereits mit dem Sohn eines amerikanischen Senators verlobt sein!«
Er hob eine Augenbraue. »Ach. Wollen Sie denn nach Amerika zurückkehren?«
Da presste Tessa die Lippen zusammen und begann ungeduldig mit der Schuhspitze auf den Boden zu klopfen.
Warum dachte sie nicht erst nach, bevor sie etwas sagte?
Sie hatte nicht die geringste Absicht, George Hancock zu heiraten oder nach Amerika zurückzukehren. »Das wollte ich damit nicht sagen. Eigentlich meinte ich… nein, Sir, ich möchte nicht nach Amerika zurück.«
Lord Penwycks herablassender Blick erboste sie noch mehr. Jetzt hatte sie es geschafft: Dieser aufreizende Mensch hielt sie nun für eine komplette Idiotin!
Sie beeilte sich zu erklären: »Was ich sagen wollte, Sir, ist, dass ich mich nicht im Mindesten für mein Benehmen heute Nachmittag im Park schäme. Zufällig interessiere ich mich stark für humanitäre Belange, und als Engländerin –
ich wurde hier in diesem Land geboren, müssen Sie wissen – steht es mir meiner Ansicht nach zu…«
»Genug!« Wieder brachte sie ein zorniger Ausruf zum Schweigen. »Eine sittsame junge Dame interessiert sich nicht für Politik, Miss Darby.«
»Warum denn nicht?« begehrte Tessa zu wissen. »Ich weiß über die politischen Verhältnisse in diesem Land ziemlich gut Bescheid, und ich…«
»Zu diesem Thema möchte ich nichts mehr hören!« rief der Earl aus und drehte sich um, um zornig in den Papieren auf seinem Schreibtisch herumzuwühlen. Als er sie ein paar Sekunden später ungeduldig mit dem Fuß klopfen hörte, wandte er sich wieder zu ihr um. »Habe ich meine Haltung in dieser Sache klar gemacht, Miss Darby?«
»Vollkommen klar, Sir. Solange ich ein braves Mädchen bin und tue, was man mir sagt, ist alles in Ordnung. Darf ich jetzt gehen?«
»Sie dürfen tun, was Ihnen beliebt, Miss Darby, solange Sie dabei Sitte und Anstand wahren.«
Tessa richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. »Vielen Dank, Lord Penwyck.« Sie drehte sich um und trat auf die Tür zu. »Ich habe vor, mich nun auf mein Zimmer zurückzuziehen und den Rest des Abends damit zu verbringen, meinen nächsten Essay zu schreiben, von dem ich dann Kopien verteilen…«
Sie hatte die Tür fast erreicht, als sich kräftige Finger um ihren Oberarm schlössen.
»Eine Minute noch, Miss Darby.«
Tessa betrachtete ihn kalt.
Lord Penwyck stand ziemlich nah bei ihr. Beiläufig nahm sie wahr, dass er sehr groß war, fast einen Kopf größer als sie. Sein Oberkörper und seine Schultern waren breit.
Dort, wo seine Finger ihren nackten Arm berührten, empfand sie ein eigenartiges Kribbeln. Sie sah in diese Richtung und entdeckte, dass seine Hände und Arme sehr kräftig waren. Ein angenehmer Duft nach edlen
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