Corbins 01 - Wer Das Paradies Nur Finden Will ...
auf seinem fuchsroten Wallach in den Hof ritt. Der Anblick seines jüngeren
Bruders brachte Adam fast zu Lachen — Jeffs Hemd stand bis zur Taille offen,
und er trug keinen Rock. Sein Haar war zerzaust, und auf seinem Gesicht und seiner
nackten Brust waren Lippenstiftspuren zu sehen.
Jeff betrachtete den Schlitten und
glitt aus dem Sattel. »Schon wieder einer deiner geheimnisvollen Ausflüge?«
fragte er gedehnt und mit ärgerlichem Blick, aber merkwürdigerweise klang eine
gewisse Befriedigung in seiner Stimme mit.
Adam ignorierte die Frage. Das Thema
war schon oft besprochen worden, und so gern er Jeff auch alles erzählt hätte —
er konnte es einfach nicht. Vor allem nicht Jeff. »Du siehst aus, als wärst du
zwei Wochen lang in einem Bordell gefangengehalten worden«, lästerte er statt
einer Antwort.
Jeff grinste, als der Stallbursche
sein Pferd wegführte. »Eine halbe Stunde«, berichtete er. »Davor war ich durchaus
willig.«
Adam lachte wieder und ließ die
Pferde antraben. Hinter seiner Belustigung verbarg sich die Überzeugung, daß
eine bittere Auseinandersetzung zwischen ihnen erfolgen würde, sobald er
anfing, sich zu fragen, was seinen Bruder dazu getrieben hatte, einen Besuch
auf der Silber Shadow zu machen.
Banner freute sich, Clarence King für
gesund genug erklären zu können, um sie alle zur Schlittschuhpartie an den
Teich zu begleiten. »Sie dürfen nur nicht selber laufen!« warnte sie mit
drohend erhobenem Zeigefinger. »Sie könnten stürzen, und das würde Ihre Wunde
wieder öffnen.«
Clarence versprach es hoch und
heilig, und Banner verließ ihn, damit er sich anziehen konnte.
Im Büro traf sie Francelle, die wie
immer mit grimmiger Miene in die Tasten hieb. »Adam ist nicht da!« bemerkte
sie unfreundlich, bevor Banner überhaupt etwas sagen konnte.
»Das weiß ich«, entgegnete Dr.
O'Brien, obwohl sie bis jetzt die ziemlich alberne Hoffnung genährt hatte, Adam
möge es sich doch noch anders überlegen und bleiben. »Haben wir heute
irgendwelche Termine?«
»Nein«, antwortete Francelle etwas
freundlicher. »Schließlich fängst um zehn die Schlittschuhpartie an.«
Banner holte tief Luft. »Francelle,
die Leute können sich verletzen und krank werden, obwohl eine Schlittschuhpartie
im Gange ist.«
Francelle zuckte die Schultern. »Dann
werden sie Sie am Teich suchen, selbst wenn sie keine Nachricht auf der Tafel
an der Tür hinterlassen.« Die heimliche Hoffnung, Banner könne doch noch
abgerufen werden, klang in ihrer Stimme mit.
»Ich bin Ihnen unsympathisch,
Francelle, nicht wahr?« Das Mädchen starrte auf die Tasten und nickte. »Ja.«
»Warum?«
»Weil ich gesehen habe, wie Adam Sie
küßte.«
Die Erinnerung daran ließ Banner vor
Scham erröten. »Und?«
»Ich kannte Adam vorher. Ich liebe
ihn.«
»So? Und er erwidert deine Gefühle?«
Ein verzweifelter Ausdruck erschien
in Francelles samtbraunen Augen. »Er behandelt mich wie ein Kind — und dabei
bin ich schon siebzehn! Papa sagte, der beste Weg, einen Arzt zum Heiraten zu
finden, sei, in seinem Büro zu arbeiten, aber ...«
Francelle tat Banner plötzlich leid,
aber sie wußte, daß das Mädchen kein Mitleid von ihr wollte, und wechselte
deshalb das Thema. »Ich bin froh, daß es aufgehört hat zu schneien.«
Aber Francelle ließ sich nicht vom
Thema ablenken. »Er hat eine Geliebte«, murmelte sie bedrückt. »Keiner weiß,
wer sie ist, aber er besucht sie regelmäßig einmal im Monat.«
Banner zwang sich zu einem Lächeln.
»Tatsächlich?«
»Kommen Sie sich nicht ... billig
vor, wenn Sie mit einem Mann herumschmusen, der einer anderen Frau gehört?«
Jetzt wurde Banner wütend und
versteifte sich vor Empörung, aber bevor sie etwas erwidern konnte, stürmte
Melissa herein.
»Das Frühstück ist fertig!«
verkündete sie fröhlich. »Und dann geht's hinaus zum Teich!«
»Ich habe schon gegessen«, erklärte
Francelle in hochmütigem Ton und beugte sich wieder über ihre Maschine.
Melissa nahm Banners Arm und zog sie
mit sich. »Ärgere dich nicht über Francelle«, flüsterte sie ihr zu.
»Sie ist ganz verrückt nach Adam,
aber er ist so blind für sie, daß er vermutlich seinen Rock an ihr aufhängen
würde, wenn sie lange genug stillhielte.«
Banner lachte, aber nur schwach,
denn Francelles Worte beschäftigten sie doch mehr, als ihr lieb war. Er hat
eine Geliebte — keiner weiß, wer sie ist — er besucht sie einmal im Monat.
Der Teich lag in einem Wald hinter dem
Haus verborgen. Mehrere
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