Corbins 01 - Wer Das Paradies Nur Finden Will ...
Adam die Zunge
heraus und kramte weiter.
»Du bist außergewöhnlich charmant
heute«, stellte Keith spöttisch fest, während er die Figuren auf einem mit
Ebenholz und Bronze eingelegten Schachtisch am Kamin aufbaute.
Adam zog sich einen Stuhl heran,
ließ sich darauf fallen und begann damit, seine Bauern aufzustellen. Dabei
fragte er sich, wo Banner und Jeff speisen mochten und was sie bestellt hatten ...
Irgendwann im Verlauf des Spiels
schaute er sinnend zum Fenster hinaus. Es schneite noch immer, und da es sehr
kalt war, würde der Teich hinter dem Haus morgen hart gefroren sein. Es war
also nicht damit zu rechnen, daß die traditionelle Schlittschuhpartie der
Familie abgesagt wurde.
Adam fragte sich, wie er den Berg
hinaufkommen sollte, und ob sie Verständnis dafür haben würden, wenn er sich
verspätete und die Lebensmittel einen Tag später brachte.
Stirnrunzelnd brachte er einen
Läufer in Sicherheit und stellte sich Banner in Schlittschuhen auf dem Teich
vor.
Sie mußte einen entzückenden Anblick
bieten mit ihren vor Eifer geröteten Wangen und dem kupferroten Haar, das sich
bestimmt aus den Spangen löste und ihr frei auf die Schultern fiel ...
Eine Uhr auf dem Kaminsims ließ fünf
Schläge erklingen. Fünf Uhr nachmittags! Wie lange waren Jeff und Banner schon
unterwegs? Zwei Stunden? Drei? Und wie würde sie reagieren, falls Jeff
einfallen sollte, sie zu küssen?
Adam nahm sich mühsam zusammen und
versuchte, sich auf das Schachspiel zu konzentrieren. Was interessierte es
ihn, ob O'Brien seinen Bruder küßte?
»Adam.«
Er hob den Kopf und begegnete Keith'
wissendem Blick. »Was?« Keith lächelte zuvorkommend. »Schachmatt«, sagte er.
Banner versteckte ihre Geschenke in
Melissas Zimmer, bevor sie zur Klinik hinüberging, um Adam zu suchen. Er
war nirgendwo zu sehen, als sie die
Station betrat, aber Clarence saß aufrecht im Bett und starrte mit düsterer
Miene vor sich hin.
Banner berührte seine Stirn und
lächelte flüchtig, als sie über das ausschweifende Leben dieses jungen Mannes
nachdachte. Was würde seine Mutter
sagen, wenn sie wüßte, daß ihr Sohn in einem schmutzigen Saloon einen
Messerstich in die Hand erhalten hatte?
»Geht es Ihnen besser?«
Clarences Lächeln wirkte etwas
forciert. »Meine Hand tut nicht mehr weh«, antwortete er.
»Aber dafür Ihr Herz, nicht wahr?«
entgegnete Banner sanft, um Clarences Stolz nicht zu verletzen. »Vermissen Sie
Ihre Familie?«
Clarence nickte und schlug die Augen
nieder. »Sie bereiten sich bestimmt schon seit Oktober auf die Feiertage vor«,
erwiderte er bedrückt.
Bevor Banner ein paar tröstende
Worte sagen konnte,
kamen Melissa und Jeff herein. »Wir
essen heute abend im Salon«, verkündete sie heiter und bedachte den verdutzten
Clarence mit einem aufmunternden Lächeln. »Sie sind sicher schon kräftig genug,
um uns Gesellschaft zu leisten, Mr. King. Maggie hat Austernsuppe gekocht, wie
jedes Jahr, und nach dem Essen wird der Baum geschmückt.«
Über Melissas dunklem Kopf trafen
sich Jeffs und Banners Blicke, und er lächelte. Anscheinend hatte Melissa ihn
mitgebracht, um Clarence auf dem Weg zur anderen Seite des Hauses zu stützen,
falls es nötig sein sollte.
Clarence wirkte sehr verlegen. »Ich
... ich ...«
Banner klopfte ihrem Patienten
beruhigend auf die Schulter. Manchmal — dachte sie — kommt die beste Medizin
nicht in Pulver- oder Tropfenform, sondern durch Menschen. »Miss Corbin wäre
sehr enttäuscht, wenn sie ihre Einladung nicht annähmen«, sagte sie.
Clarence Gesicht hellte sich auf.
»Gern«, erwiderte er schüchtern, aber dann sah er sein Nachthemd und den
Morgenrock und errötete. »So kann ich nicht gehen!«
»Unsinn!« widersprach Melissa
herzlich.
Dann half Jeff dem Kranken aus dem
Bett, Melissa führte ihn am Arm hinaus, und Jeff und Banner blieben allein
zurück.
Banner beschäftigte sich mit dem
Glattziehen von Clarences Laken. »Sie werden zu spät zum Essen kommen«, mahnte
sie.
»Ich habe schon gegessen«,
entgegnete Jeff. »Erinnern Sie sich?«
Banner nickte, schaute ihn an und
sah, daß er mit verschränkten Armen an der Tür lehnte und sie beobachtete.
»Mir wird wohl nichts anderes
übrigbleiben, als mich — was Sie angeht, Banner — auf brüderliche Gefühle zu
beschränken, oder?«
Banner biß sich auf die Lippen und
nickte wieder. Jeff sah gut aus, er war witzig und humorvoll, und sie war gern
mit ihm zusammen. Aber er war eben nicht Adam, und das war nicht zu
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