Corbins 03 - Wer dem Zauber der Liebe verfaellt...
erregten Deroras Neugier, und deshalb las sie sie zuerst.
Haben Sie diesen Mann gesehen?
Fünftausend Dollar Belohnung
für sachdienliche Hinweise an
Mister Adam Corbin,
Port Hastings, Washington.
»Port Hastings«, wiederholte Derora
nachdenklich, während sie prüfend die Skizze betrachtete. Konnte es wirklich
dieser Hausierer sein, der sich Jod Shiloh nannte? Die Ähnlichkeit war
verblüffend, aber vielleicht war es ja doch nicht mehr als das — nur eine starke
Ähnlichkeit.
Resolut stand sie auf und holte ihre
Brille. »Mein Gott!« murmelte sie dann, starrte die Skizze an und dachte an all
jene entfernten Orte, an die fünftausend Dollar sie bringen konnten — weit,
weit weg von Simpkinsville! »Tu mir den Gefallen, Joel, und entpuppe dich
tatsächlich als der gesuchte Mann!«
Derora faltete die Zeitung zusammen
und legte ihre Brille beiseite. Wenden Sie sich an Mister Adam Corbin in Port
Hastings, hatte in der Anzeige gestanden. Aber wie sollte sie ihn benachrichtigen?
Sonntags war das Telegraphenamt geschlossen ...
Sie stand auf, zog sich an und
frisierte sich sorgfältig. Andrew McMichaels, der Telegraphist der Western
Union, war ein guter Freund von ihr. Da konnte sie ihn doch sicher bitten, ein
Telegramm abzuschicken ... schließlich handelte es sich um einen Notfall, oder?
Und wenn sie sich nun irrte? Wenn
dieser Joel Shiloh gar nicht der Mann war, den Adam Corbin suchte?
Derora schlug die Zeitung noch
einmal auf und las die Anzeige durch. Dann, aus einer Eingebung heraus, suchte
sie auch in der Ausgabe von Portland danach. Die Anzeige war da, doch sie gab
keine weiteren Einzelheiten bekannt, sondern war identisch mit der anderen. Im
San Francisco Chronicle jedoch entdeckte sie eine leicht veränderte
Annonce. Die Schrift über der Zeichnung besagte:
Vermißt.
Keith Corbin.
Ähnlich untenstehendem Bild.
Und unter dem Bild — lieber Himmel, er
sah ja wirklich wie Joel Shiloh aus! — wurde die gleiche Belohnung angeboten.
Derora saß vor ihrem Frisiertisch
und starrte in den Spiegel, ohne jedoch etwas von sich zu sehen. Fünftausend
Dollar, dachte sie. Fünftausend wunderschöne Dollar!
Damit war die Entscheidung gefallen.
Sie würde noch heute
nach Port Hastings telegraphieren. Falls sie sich irrte und es sich bei dem Hausierer
nicht um Keith Corbin handelte, nun gut, dann hatte sie eben Pech gehabt und
nichts verloren außer den Gebühren für das Telegramm. Aber die Zeit drängte —
wie lange würde es dauern, bis ein anderer die Ähnlichkeit zwischen der
Zeichnung und Joel Shiloh bemerkte? Oder schneller war als sie?
Ja, die Zeit drängte.
Vier
Emma war begeistert. »Tess, Papa hat die
Fotos schon entwickelt«, sagte sie und eilte neben ihrer Freundin her, als
diese ihr Fahrrad in den Schuppen hinter Deroras Haus schob. »Ich habe sie
gleich mitgebracht.«
Tess lehnte das Fahrrad an die
Innenwand und strich ihr langes Haar zurück. Nach dem Mittagessen hatte sie die
Platten zu Mister Hamilton, Emmas Vater, gebracht und ihn gebeten, sie zu
entwickeln. Dann, weil sie das Warten nicht ausgehalten hatte, war sie zu einem
kleinen Ausflug aufgebrochen. Allerdings nicht in die Richtung, in der sie Joel
Shilohs Lager wußte ...
»Laß sehen«, erwiderte sie betont
gleichgültig.
Emma reichte ihr die Bilder und war
offensichtlich enttäuscht davon, wieviel Zeit Tess sich ließ, um die Fotos
anzuschauen. Ein blühender Busch, ein Dampfschiff auf dem Columbia River.
Missis Swendhagens häßliches Baby. Tess selbst, wie sie vor dem Hausiererwagen
stand, Joel Shilohs Hut auf dem Kopf und ein albernes Lächeln im Gesicht.
Und da war Joel. Nur eine der beiden
Aufnahmen von ihm war gelungen, aber auf diesem Bild war deutlich zu erkennen,
was für eine komplizierte Persönlichkeit dieser wundervolle Mann hatte.
»Tess?« flüsterte Emma. »Hast du
etwas?«
Tess wagte nicht, den Kopf zu heben.
»Nein, wieso?«
Emma schien beruhigt. »Ich habe eine
Überraschung für dich, Tess«, verkündete sie geheimnisvoll. »Rate mal, was es
ist!«
Tess steckte die Fotografien
vorsichtig in ihre Rocktasche und schaute Emma fragend an. Hoffentlich sah sie
die Tränen nicht, die in ihren Augen schimmerten! »Du weißt, wie ungern ich
rate«, antwortete sie. »Sag es mir!«
Emma strahlte. »Ich habe Tickets,
Tess! Eintrittskarten zu der Vorstellung auf dem Vergnügungsdampfer Mister
Roderick Waltam hat sie mir selbst gegeben!« Sie schwieg einen Moment und fügte
dann mit leuchtenden Augen hinzu: »Ich
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