Corbins 03 - Wer dem Zauber der Liebe verfaellt...
teilen zu müssen, aber daran war nun einmal nichts zu
ändern. Arbeit war Arbeit, und die war selten genug, wenigstens für einen
Schauspieler. Nächte wie die vergangene bei Derora Beauchamp in einem warmen
Bett, gehörten zu den Dingen, die das Leben
erträglich machten, obwohl er die Nacht viel lieber mit ihrer Nichte verbracht
hätte.
Tess. Er lächelte, als er in
Gedanken ihren Namen wiederholte, während er für den ersten Auftritt schwarze
Schminke auf seinem Gesicht verstrich. Johnny Baker stand hinter ihm und
beobachtete ihn fasziniert.
»Gestern nacht muß recht gut gewesen
sein, was?« bemerkte er mit anzüglichem Grinsen. »Ich habe gemerkt, daß du
nicht zurückgekommen bist.«
Roderick klebte eine buschige weiße
Braue über seine eigene. »Dir entgeht auch nichts, was, Baker?« entgegnete er
herablassend, ohne den Mann weiter zu beachten. Statt dessen dachte Roderick an
die beiden Tickets, die er Emma Hamilton für die heutige Vorstellung geschenkt
hatte, eine großzügige Geste, die ihn fast sein letztes Geld gekostet hatte.
Hoffentlich war die alberne Gans so klug, die zweite Karte Tess anzubieten!
Er klebte die zweite Braue auf. »Ich
hätte die Kabine heute nacht gern für mich allein, wenn es dir nichts ausmacht«,
sagte er zu dem pockennarbigen Gesicht hinter sich im Spiegel.
Baker grinste anzüglich. »Willst
wohl eine Frau mitbringen?«
Roderick widerstand der Versuchung,
die Augen zu verdrehen. Es wäre nicht klug gewesen, den Burschen zu verärgern.
»Ja«, sagte er nur und befestigte einen falschen Schnurrbart auf seiner
Oberlippe. »Vielleicht könntest du die Nacht in der Stadt verbringen.«
Hauptsache, du bist nicht hier, fügte er in Gedanken hinzu, wenn ich Tess
Bishop in meine Kabine bringe!
»Ich habe kein Geld«, beklagte Baker
sich.
Roderick seufzte. Eine solche
Entwicklung hatte er schon erwartet. »In meinem Mantel findest du ein Fünfdollarstück.
Nimm es ruhig.«
Bakers derbes Gesicht begann zu
strahlen. »Danke« sagte er gerührt. Manchmal wunderte Roderick sich über ihn.
»Gern geschehen«, erwiderte Roderick
in großmütigem Ton. Was für ein guter Schauspieler du doch bist, sagte er sich,
als Baker die Taschen seines Mantels nach dem Geld durchsuchte.
Als er endlich fort war, überprüfte
Roderick noch einmal sein Make-up und zupfte seinen glänzenden Frack zurecht.
Verdammt, er sah wirklich phantastisch aus, sogar mit dieser schwarzen Schminke
im Gesicht!
Tess und Emma betraten den Vergnügungsdampfer
inmitten einer Gruppe anderer Besucher und gaben sich die größte Mühe,
gelassen und entspannt zu wirken. Es war sehr unwahrscheinlich, daß Emmas
behäbige, sehr bürgerliche Eltern eine solche Show besuchten, aber es bestand
Gefahr, daß sie Derora begegneten, und das konnte schlimme Folgen haben.
Die Show selbst fand im
reichgeschmückten Salon des Schiffes statt, wo eine Bühne aufgebaut worden war,
die ein roter Samtvorhang verdeckte. Gemälde nackter Damen zierten die Wände,
und von der mit plumpen Cherubinen verzierten Decke hingen glitzernde Kristalllüster
herab.
Reihen von samtgepolsterten Sesseln
füllten den Raum, und Emma und Tess stellten überrascht und erfreut fest, daß
ihre Plätze sich in der ersten Reihe befanden — der Bühne fast zum Greifen
nahe!
»Ich habe dir ja gleich gesagt, daß
Roderick mich mag!« flüsterte Emma Tess begeistert zu.
Tess biß sich auf die Lippe. Obwohl
Mister Waltam ihr Fahrrad repariert hatte — eine wirklich freundliche Geste von
ihm —, blieb die Tatsache bestehen, daß er die Nacht mit Derora verbracht
hatte. Das durfte man nicht vergessen. »Emma, er ist Schauspieler«, erwiderte
sie und hoffte, ihre Freundin damit ein wenig zu entmutigen. »Du weißt, daß das
keine zuverlässigen Menschen sind.«
»Nein, das weiß ich nicht!« entgegnete
Emma heftig. »Ich habe noch nie einen Schauspieler gekannt. Du?«
Die gasbetriebenen Leuchter wurden
dunkler. »Ja«, sagte Tess nach kurzem Zögern. »Meine Mutter war Schauspielerin.
In St. Louis.«
Emma starrte sie an, das spürte
Tess. »Was? Tess, das hast du mir noch nie erzählt!«
»Es gibt sehr vieles, was ich dir
noch nie erzählt habe«, erwiderte Tess gelassen. »Aber jetzt sei still und sieh
dir die Show an.«
Und was für eine Show! Es begann mit
einer lustigen Sing- und Tanznummer, bei der Roderick die Hauptattraktion
darstellte, sang und tanzte und sich auf dem Banjo begleitete, während eine
Gruppe leichtbekleideter Mädchen um ihn
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