Corbins 03 - Wer dem Zauber der Liebe verfaellt...
in einen Kessel füllte und ihn aufs Feuer setzte.
Dieser Mann ist mir ein Rätsel, dachte Tess und wußte jetzt schon, wie schwer
es sein würde, ihn aufzugeben. Unmöglich ... Und doch würde ihr gar nichts
anderes übrigbleiben, wenn sie Portland erreichten.
Sieben
Asa Thatcher hatte in der vergangenen
Stunde größere Schocks erlebt, als er ertragen zu können geglaubt hatte — seine
geliebte Olivia in einer Anstalt und seine kleine Tess mit einem Hausierer
durchgebrannt! Doch Asa war nicht dumm, und daher wußte er, daß er die beschämende
Lage seiner Familie nur sich selbst zuzuschreiben hatte. Mit geballter Faust,
um seinem Zorn Luft zu machen, schlug er auf die Reling des Dampfschiffes.
Da an diesem Nachmittag kein
einziger Zug mehr die verschlafene kleine Stadt in Oregon verlassen hatte,
nicht einmal jener, mit dem er gekommen war, hatte Asa eine Passage auf der Columbia
Queen gekauft, einem etwas schäbigen Vergnügungsdampfer, aber das störte
ihn nicht. Er wollte nur so schnell wie möglich Portland erreichen.
Der Kapitän hatte ihm versichert,
daß sie schon am nächsten Morgen im Hafen der großen Küstenstadt einlaufen
würden.
Asa seufzte und starrte nachdenklich
in das jadegrüne Wasser des Columbia River. Was für ein Narr war er doch
gewesen, in all diesen Jahren auf Olivia und Tess zu verzichten und eine Ehe
aufrechtzuerhalten, die ihn und seine Frau nur unglücklich gemacht hatte.
Bitte, lieber Gott, wenn ich Livie zurückbekomme, wenn du mir eine zweite
Chance bei ihr gibst ...
Der Tumult, der plötzlich entstand,
als eine junge Frau sich lautstark und auf dramatische Art beklagte, verführt
und ausgenutzt worden zu sein, holte Asa aus seinen Gedanken zurück. Aber es
war der große, gutaussehende Begleiter der jungen Frau, der Asas Aufmerksamkeit
auf sich zog. War es... Nein, das war doch nicht möglich, oder?
Es war möglich. Es war Rod.
Asa überlegte kurz und ging dann auf
seinen Sohn zu. Es schien tatsächlich ein Tag der Überraschungen zu sein.
»Mein Papa wird dich zwingen, mich
zu heiraten!« heulte das Mädchen, eine kleines, plumpes, rothaariges Ding. »Du
kannst nicht einfach verschwinden und vergessen, was du getan hast, Roderick
Waltam!«
Asa seufzte. Also hatte Rod sich
nicht geändert. Und benutzte noch immer den Mädchennamen seiner Mutter. >Asa
Thatcher, Jr.< war ihm nie gut genug gewesen — in Princeton hatte er den
Namen in Asa Thatcher II umgeändert, aber auch das war nicht zu seiner
Zufriedenheit gewesen. Schließlich hatte er begonnen, sich Roderick zu nennen,
und >Waltam< statt Thatcher.
»Rod?«
Er drehte sich um und erkannte,
sprachlos vor Erstaunen, seinen Vater. Heiße Röte schoß ihm in die blassen
Wangen. »Vater?«
Die Schiffssirene heulte auf, und
die rothaarige junge Dame drehte sich um und rannte über die Gangway ans Ufer
zurück.
»Mein Papa wird dich schon finden!«
schrie sie Roderick vom Ufer zu. »Vergiß das nicht, Roderick Waltam ...«
Ihre Stimme klang leiser und war
bald nicht mehr zu hören, als das Schiff sich allmählich vom Ufer entfernte.
Asa Jr. und Asa Sr. standen sich auf dem schlüpfrigen Deck gegenüber und
blickten sich in die Augen.
»Mutter ist ...« begann Rod heiser.
Asa nahm den Arm seines Sohnes und
schob ihn auf die Reling zu, wo sie in Ruhe reden konnten, während das Schiff
in elegantem Bogen auf den Fluß hinauszog. »Sie ist vor zwei Wochen gestorben«,
sagte er ruhig.
Rod holte tief Atem. »Wie hast du
mich gefunden?«
»Es war Zufall«, erwiderte Asa
aufrichtig, wie es seine Art war. »Aber ich freue mich darüber. Dieses Mädchen
...«
Rod grinste unvermutet. »Emma. Ist
sie nicht erstaunlich? Ich bin noch nie einer Frau wie ihr begegnet.«
Asa verkniff sich eine vorwurfsvolle
Bemerkung über Rodericks mangelnden Respekt vor Frauen. Denn welches Recht
hatte er, Asa Sr. darüber zu sprechen, wo er Livie durch seine eigene
Unentschlossenheit in den Wahnsinn getrieben hatte? Und Tess — Gott allein
wußte, was aus Tess geworden war!
Roderick beobachtete Emmas immer
kleiner werdende Gestalt, wie sie wie eine aufgescheuchte Henne am Flußufer
entlanglief und drohend die Fäuste hob, bis sie schließlich nicht mehr zu sehen
war. Und Asa hatte plötzlich das Gefühl, als brächte sein Sohn dem Mädchen eine
gewisse Zuneigung entgegen.
»Hat Mutter sehr gelitten?« fragte
der junge Mann schließlich.
»Nein«, konnte Asa zu seiner
Erleichterung erwidern. »Sie starb ganz plötzlich — im Schlaf. Du
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