Corbins 03 - Wer dem Zauber der Liebe verfaellt...
die
dauerhafte Liebe einer zweifellos verrückten, aber hinreißend schönen Frau wie
Olivia Bishop gewonnen haben konnte. »Asa Thatcher«, unterbrach Derora ihn
ruhig.
Der Mann nickte zustimmend, dann
seufzte er schwer. »Ich habe eine weite Reise hinter mir, Madam«, sagte er
leise. Abraham Lincoln, dachte Derora, das ist es. Er sieht wie Abraham Lincoln
aus! »Sagen Sie mir bitte, wo ich meine ... wo ich Missis Bishop finden kann.«
Derora hegte keinen Groll gegen
diesen Mann. Sie war der Ansicht, daß Olivia bekommen hatte, was sie verdiente,
nachdem sie sich mit einem verheirateten Mann eingelassen hatte. Aber es
bereitete ihr dennoch ein gewisses Vergnügen, zu antworten: »Ich fürchte, ich
habe schlechte Nachrichten für Sie, Mister Thatcher. Meine arme, liebe
Schwester ist schon seit einigen Jahren in einer geschlossenen Anstalt
untergebracht.«
Asa sah aus, als habe sie ihn
geschlagen. Er lehnte sich an den Kamin und ließ den Kopf hängen. Lieber Gott!
dachte Derora betroffen. Was hat meine schöne, lebhafte Schwester bloß in
diesem sauertöpfischen Schwächling gesehen?
»Wo?« fragte er schließlich rauh.
»Wo ist diese ... dieser Ort, wo sie meine Livie festhalten?«
Das in seiner Stimme mitklingende
Gefühl weckte ganz neue Überlegungen in Derora. Bisher hatte sie angenommen,
Olivia sei nichts als ein hübsches Spielzeug für Asa Thatcher gewesen, und sie
hatte dabei nicht ein einziges Mal bedacht, daß er die Gefühle ihrer Schwester
erwidern könnte. »Das Sanatorium nennt sich Harbor Haven und befindet sich
in Portland. Ich kann Ihnen die Adresse geben, wenn Sie mir einen Moment Zeit
lassen, in meinen ... Rechnungen nachzusehen.«
Asa Thatcher war kein Narr, das war
klar. Er verstand Deroras diskreten Hinweis augenblicklich. »Sie haben für
Livies Unterhalt gezahlt?«
Derora hielt es für unnötig, zu
erwähnen, daß Tess dafür gearbeitet hatte. »Ja, Mister Thatcher«, antwortete
sie bescheiden, »und ich schäme mich nicht, zu sagen, daß es eine sehr
kostspielige Anstalt ist. Und dann war da natürlich auch noch Ihre Tochter ...«
Der hagere Mann lebte zusehends auf.
»Meine Tochter! Ist sie wenigstens hier?«
»Es tut mir leid. Tess hat uns ...
verlassen.«
Asa schwankte und erblaßte.
»Verlassen?« wiederholte er bestürzt.
»Oh, es tut mir so leid für Sie!«
Derora eilte zu ihrem Besucher hinüber und ergriff fürsorglich seinen Arm. »Ich
wollte damit nicht sagen, daß Tess gestorben ist! Es geht ihr gut.« Sie führte
den erschütterten Mann zu einem Sessel, auf dem er sich dankbar niederließ.
»Ich meinte nur, daß sie ... nun ja ... sie ist durchgebrannt. Mit einem Mann.«
Asa bedeckte sein
vogelscheuchenähnliches Gesicht mit einer Hand. »Liebt sie ihn?« fragte er
seufzend.
Derora schenkte einen Brandy für
ihren Gast ein und reichte ihm das Glas. Dann nahm sie Mister Thatcher gegenüber
Platz. »Tess versteht ... verzeihen Sie mir ... mit Männern umzugehen. Diesen
Hausierer scheint sie völlig verhext zu haben und ...«
»Hausierer?« rief Asa Thatcher
überraschend zornig aus. »Meine Tess, meine schöne Tess ist mit einem Hausierer durchgebrannt?«
Derora senkte den Kopf, um ihr
Lächeln zu verbergen. »Ich fürchte ja, Mister Thatcher.« Als sie wieder aufschaute,
standen Tränen in ihren Augen, und ihr Lächeln war verblaßt, denn Olivia Bishop
war nicht die einzige Schauspielerin in der Familie. »Gott ist mein Zeuge,
Sir«, sagte sie erstickt, »daß ich mich um Tess bemüht habe, nachdem unsere
arme Olivia zusammengebrochen war ... aber so ganz allein ... und so arm ...«
»Ich verstehe, liebe Dame«,
beruhigte Asa Thatcher sie sofort. »Ich verstehe. Eine Last, die mir zustand,
hat zu lange auf Ihren Schultern geruht. Den Zustand meiner Familie habe ich
ausschließlich mir selbst zu verdanken.«
Und mir das Dach über ihren Köpfen
und das Brot in ihrem Bauch, dachte Derora gereizt. »Wir tun alle, was wir für
unsere Pflicht halten, Mister Thatcher«, entgegnete sie würdevoll.
Asa hatte seinen Brandy getrunken,
und nun richtete er sich entschieden auf. »Und meine Pflicht ist, meine
Schäflein einzusammeln«, sagte er ruhig. »Tess stand ihrer Mutter immer sehr
nahe. Deshalb ist es möglich, daß ich sie in der Nähe des Sanatoriums, wo Livie
lebt, auch finden werde.«
Derora dachte blitzschnell nach.
»Sie ... Sie werden doch beiden ... liebe Grüße von mir übermitteln?«
Es war genau die richtige Mischung
aus zärtlicher Sorge und
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