Corbins 03 - Wer dem Zauber der Liebe verfaellt...
hättest uns
einmal schreiben können, Asa — wir haben uns große Sorgen um dich gemacht.«
Das glatte Gesicht seines Sohnes
verhärtete sich. »Mein Name ist Rod«, versetzte er schroff. »Und da ich nichts
mehr mit euch zu tun haben wollte, warum hätte ich euch schreiben sollen? Dich
hat doch nichts außer deiner Arbeit und deiner Geliebten interessiert, wer
immer sie auch gewesen sein mag. Und Mutter und Millicent verbrachten ihre
Zeit damit, sie ausfindig zu machen und zu zerstören.«
Asa seufzte und lehnte sich an die
Reling, müde wie ein alter Mann. Angenommen, es gelang ihm nicht, Olivia nach
all dieser Zeit davon zu überzeugen, daß er sie immer noch liebte? Angenommen,
sie würde nie wieder die Olivia sein, die er gekannt hatte?
»Wer war sie?« fragte Roderick
widerstrebend.
»Eine Schauspielerin«, antwortete
Asa leise. »Ihr Name war ... Olivia Bishop.« Erst jetzt hob er den Kopf und
wagte es, seinem Sohn in die Augen zu schauen. »Ich liebe sie sehr, Rod. Sie
hat mir ein Kind geboren.«
Rod war weiß wie die Wand; Asa hatte
nicht damit gerechnet, daß die Nachricht sich als so großer Schock für seinen
Sohn erweisen würde. »Bishop«, murmelte Roderick, um dann leise hinzuzufügen:
»Nein. Nein, das kann einfach nicht sein.«
Asa deutete auf die Stadt. »Sie kam
hierher, meine Livie, nachdem deine Mutter und deine Schwester sie aus ihrem
Haus geworfen hatten. Hier in diese Stadt.«
»Ihr Kind«, sagte Rod gepreßt. »Dein
Kind ...«
Asa lächelte unwillkürlich beim
Gedanken an seine Tochter, es tat gut, mit jemandem über sie sprechen zu
können. »Tess«, begann er. »Du wirst sie mögen, Rod. Sie ist ...«
Rod umklammerte die Reling und sah
aus, als habe er zuviel Opium genossen. »Mein Gott!« flüsterte er entsetzt.
Asa fand nun doch, daß sein Sohn ein
bißchen übertrieb; immerhin war Rod inzwischen ein erwachsener Mann. Er mußte
doch wissen, daß Männer sich Geliebte hielten und dabei oft illegitime Kinder
zeugten ... »Rod?« fragte er besorgt.
»Ich kenne Tess«, sagte Roderick,
nun schon etwas ruhiger. »Sie ist wunderschön und wild und bezaubernd, und ich
habe sie begehrt. Gott sei Dank, daß ich statt ihrer Emma bekommen habe.«
Jetzt war es Asa, der Erschütterung
zeigte, blaß und unsicher wurde. »Gibt es hier auf dem Boot etwas zu trinken?«
fragte er heiser.
Emma Hamilton wischte wütend ihre Tränen
ab, während sie über die Straße auf Derora Beauchamps Haus zueilte. Tess würde
wissen, was zu tun war. Tess wußte immer Rat.
Von plötzlicher Scham überwältigt,
blieb Emma vor Missis Beauchamps Zaun stehen. Und wenn man ihr nun ansehen
konnte, was sie mit Roderick gemacht hatte? Hinterließen diese Sünden, so
angenehm sie auch sein mochten, sichtbare Spuren an einem Menschen?
Dann nahm sie sich zusammen. Es war
lächerlich, wie sie sich benahm. Wenn die unglaublich schönen, verruchten
Dinge, die Roderick mit ihr getan hatte, Spuren hinterlassen würden, wäre
Derora Beauchamps Körper mit Narben übersät ...
Ihr Koffer mit dem Nachthemd, ihrer
Zahnbürste und einem Kleid zum Wechseln lag noch unter dem Verandaboden, wo
sie ihn am Abend zuvor zurückgelassen hatte. Klar, sie hatte ja vorgehabt, die
Nacht bei Tess zu verbringen ...
Emma klopfte leise an die Tür. Die
schwarze Haushälterin, die Emma schon immer ein bißchen gefürchtet hatte,
öffnete sofort.
»Sie ist nicht mehr hier«, erwiderte
sie schroff auf Emmas Frage nach Tess.
Emma schwankte vor Entsetzen. »W-was
w-wo ...« stammelte sie.
Juniper machte ein ungeduldiges
Gesicht. »Miss Tess ist mit diesem Hausierer durchgebrannt«, sagte sie.
»Gestern nacht.«
Emma wurde übel. Sie war allein,
mutterseelenallein. Roderick war fort, und Tess ebenfalls. Wie konnten sie ihr
so etwas antun?
»Alles in Ordnung, Missy?«
erkundigte sich die schwarze Frau streng.
»Ich ...« Wie eine Schlafwandlerin
drehte Emma sich um.
»Ja, ich ...« Sie bückte sich
beschämt und hob ihren Koffer auf. Es war zu erwarten gewesen, daß ein Mann
sie, Emma, benutzte und dann im
Stich ließ, aber Tess war ihre Freundin ... Wie konnte sie fortgehen, ohne sich
von Emma verabschiedet zu haben?
Der Koffer schlug gegen ihre Beine,
als sie zum Tor ging, und die Tränen strömten ihr ungehindert übers Gesicht.
Sie wußte nun, daß sie verloren war. Und Tess war nicht da, um ihr in dieser
Lage beizustehen.
Tess hatte sie verraten.
Emma mahnte sich zur Vernunft. Wenn
Roderick sie aufgefordert hätte, mit ihm
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