Corbins 03 - Wer dem Zauber der Liebe verfaellt...
sich in den Sessel neben Tess fallen und bedachte sie von
neuem mit diesem kalten, verächtlichen Lächeln. Doch seine Worte, als er sprach,
waren an seinen Vater gerichtet. »Ich sage, was ich will. Ich brauche nichts
von dir.«
»Nein?« erwiderte Asa gelassen.
»Deinem Aussehen nach zu urteilen, scheinst du keinen Pfennig zu besitzen. Wie
willst du deine Unterkunft und dein Essen bezahlen?«
Roderick schien unsicher zu werden.
Bevor er jedoch etwas erwidern konnte, erklang ein gellender Schrei aus dem
angrenzenden Schlafzimmer.
»Asa! Asa!«
Es verstimmte Tess ein wenig. Hätte
ihre Mutter nicht sie rufen können statt Asa? War nicht sie diejenige gewesen,
die all diese Jahre für ihre Mutter gesorgt hatte? Aber Asa hatte schon immer
den wichtigsten Platz in Olivias Leben eingenommen, und so würde es auch
weiterhin sein: Es war Asa, nach dem sie rief, und Asa, der aufsprang, um zu
ihr zu eilen.
»Wir wußten von ihr«, bemerkte
Roderick flach und ohne Tess dabei anzusehen.
»Ich weiß.«
Nun schaute er sie doch an, und sein
Lächeln war ein bißchen traurig und nicht mehr so boshaft wie zuvor. »Du warst
allerdings eine Überraschung für mich. Millicent muß von dir gewußt haben,
aber ich ganz sicher nicht.«
»Das tut mir leid«, erwiderte Tess.
»Roderick ...« »Rod«, unterbrach er sie.
»Rod, ich weiß nicht, wie ich es
sagen soll ... aber in Simpkinsville, in jener Nacht, als die Show stattfand ...
Meine Freundin Emma . .«
Tess sah, wie ihm das Blut in die
Wangen stieg. »Ja, Emma.« Er starrte jetzt in den Kamin, als wäre dort etwas
überaus Interessantes zu sehen.
Tess sank mit einem Seufzer in ihren
Sessel zurück. Also war es passiert — das Schlimmste. Hätte sie Emma doch nur
gezwungen, sie zu begleiten, als sie zu Derora zurückging! »Sie ist noch so
jung, Rod. Und so unschuldig.«
Rod stand auf, trat an den Kamin und
drehte Tess' und ihrer anklagenden Miene den Rücken zu. »Ich habe noch nie
jemanden erlebt, der seine Unschuld derart bereitwillig ablegte«, erwiderte er
nach langem Schweigen.
»Ihr Vater ist ein hart arbeitender,
anständiger Mann, Rod, aber er ist ein sehr reizbarer Charakter. Wenn sie ihm
erzählt hat, was du getan hast, wird er dich bis zu seinem letzten Atemzug
verfolgen.«
»Das hat sie auch gesagt. Sie hat es
mir noch vom Ufer aus nachgeschrien.«
Wäre sie weniger besorgt um Emma
gewesen, hätte Tess gelacht. Sie konnte sich den Zorn ihrer Freundin bestens
vorstellen, aber sie wußte auch, wie Emma leiden mußte. Sie war immer ein
behütetes Kind gewesen, die arme kleine Träumerin, und hatte bestimmt geglaubt,
Hingabe und Ehe gingen Hand in Hand. Wie enttäuscht und verängstigt sie jetzt
sein mußte! »Du hättest deine romantischen Eskapaden auf Derora beschränken können«,
stellte Tess kühl fest. »Für sie ist es ein Spiel. Aber Emma hat mit Sicherheit
einen Heiratsantrag erwartet und davon geträumt, ihr kleines Häuschen
einzurichten, in dem sie ihre Kinder aufziehen und Rosen züchten konnte.«
Rods Schultern versteiften sich ein
wenig. »Von einem Schauspieler? Du meinst, sie erwartete von einem Schauspieler
...«
»Emma hätte es von jedem Mann
erwartet, der sie kompromittierte, Rod. Es war gemein und rücksichtslos von
dir, sie auf diese Weise zu benutzen und dann im Stich zu lassen. Und wenn sie
nun ein Kind erwartet?«
Rod drehte sich abrupt zu Tess um,
und sie sah das unsichere Flackern in seinen Augen. Also schien er doch so
etwas wie ein Gewissen zu haben. »Das klingt, als wäre es allein meine Schuld.
Sie hätte ja auch nein sagen können, oder? Gezwungen habe ich sie bestimmt
nicht der Himmel ist mein Zeuge, daß sie es war, die mich fast
gezwungen hat!«
»Emma war verliebt. Blind verliebt.
Aber sie ist kein Mädchen, das man benutzt und dann fallenläßt, Rod.« Im
Gegensatz zu mir, fügte Tess in Gedanken hinzu. Ob Keith Portland schon
verlassen hatte?
»Da wir gerade über das Thema Moral
sprechen, Schwesterherz«, warf Rod grollend ein, »wo steckt denn eigentlich
dein Mann?«
»Mein Mann?«
»Emma sagte, du wärst mit diesem
Hausierer durchgebrannt, diesem Joel Sowieso. Sie sagte auch, du würdest ein
Kind von ihm erwarten. Angesichts dessen finde ich es äußerst interessant, daß
du die Frechheit besitzt, mir Moralpredigten zu halten.«
»Das hat sie gesagt?« rief Tess
fassungslos.
»Ist es wahr?« entgegnete Rod.
»Natürlich nicht!« Aber ihre
Empörung ließ augenblicklich nach, als sie an Keith dachte und was
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