Corbins 03 - Wer dem Zauber der Liebe verfaellt...
entsetzt.
»So ist es«, bestätigte Tess
herablassend. »Nachdem ich Ihnen bewiesen hatte, daß ich ein Mitglied einer der
angesehensten Familien des Nordwestens bin. Sie hätten es tun sollen, weil es
gerecht war, Mister Filbertson. Wer ich bin, hätte dabei nicht die geringste
Bedeutung für Sie haben dürfen. Wichtig war nur, daß man mir schweres Unrecht
zugefügt hatte und das zum Teil durch Ihre Schuld.«
»Missis Corbin!« sagte der Bankier
flehend, während sich vor Angst ein Schweißfilm auf seiner Oberlippe bildete.
»Guten Tag, Mister Filbertson«,
meinte Tess kühl und ging mit raschelnden Seidenröcken und hocherhobenen Kopfes
hinaus.
Doch Mister Filbertson eilte ihr bis
auf die andere Straßenseite nach. »Möchten Sie es sich nicht noch einmal
überlegen?« bat er flehend.
Tess lächelte, als sie die Tür ihres
Ladens aufschloß, und zuckte die Schultern. »Vielleicht, Mister Filbertson.
Oder vielleicht auch nicht. Möchten Sie nicht ein Foto von sich machen lassen?«
Sechzehn
Mister Filbertson wurde Tess' erster
Kunde. Er hockte nervös auf dem Stuhl, während Tess die Kamera vorbereitete,
räusperte sich und schien es kaum erwarten zu können, ihre Entscheidung zu
hören, daß sie ihr Konto bei seiner Bank belassen wollte. Aber Tess ließ ihn
zappeln. Er verdiente es.
Nach den Aufnahmen blieb er in der
Tür stehen und schaute Tess zögernd an. »Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder,
Missis Corbin«, sagte er rauh.
Tess neigte nur den Kopf. Mister
Filbertson errötete und ging rasch hinaus. Tess schaute ihm lächelnd nach.
Den restlichen Tag und fast die ganze
Nacht verbrachte Tess im Krankenhaus, saß an Keith' Bett und hielt seine Hand.
Ihre Nähe schien ihn dermaßen zu beruhigen, daß er schließlich in einen tiefen,
erholsamen Schlaf versank.
Als Tess im Morgengrauen vor ihrem
Laden stand und ihren Schlüssel suchte, hörte sie jemanden ihren Namen rufen.
»Tess!«
Es war Emma, die über den
Bürgersteig kam, mit verwirrter und ängstlicher Miene.
Was ist jetzt schon wieder? dachte
Tess unbarmherzig. Sie war müde, todmüde nach der langen Nacht im Krankenhaus
und mußte auch noch Mister Filbertsons Fotografie entwickeln, eine Aufgabe,
der sie keineswegs freudig entgegensah. Sie hatte noch nie entwickelt und
mußte sich daher auf die Anweisungen in den Büchern verlassen, die sie in ihrem
Laden aufbewahrte.
»Guten Morgen, Emma«, sagte sie,
während sie die Tür aufschloß und hineinging, ihre Freundin dicht auf den
Fersen.
»Guten Morgen, Tess!« entgegnete
Emma gereizt. »Wo hast du die ganze Nacht gesteckt? Ich war fast verrückt vor
...«
»Ich war bei meinem Mann«,
unterbrach Tess sie ruhig.
Das ließ Emma verstummen — wie Tess
ganz richtig vermutet hatte, war es Emma noch gar nicht zu Bewußtsein
gekommen, daß ihre Freundin tags zuvor Keith Corbin geheiratet hatte. Nun
machte sie große Augen und schüttelte sich dann wie eine Henne, die unter einen
Eimer Spülwasser geraten war.
»Ich wünschte, ich könnte das
gleiche sagen«, beklagte Emma sich. »Rod ist verhaftet worden, Tess! Wegen dir
hat die Bank ihn einsperren lassen! Und er wird nicht eher freigelassen, bis er
das Geld zurückgibt, das er sich eher freigelassen, bis er das Geld zurückgibt,
das er sich von deinem Konto geborgt hat!«
»Geborgt? Gestohlen wolltest du wohl
sagen!« entgegnete Tess scharf, verärgert über Emmas Haltung.
»Das ist nicht wahr! Er hatte es
sich nur geliehen!«
»Geld von einem fremden Konto
abzuheben, ohne Wissen des Kontoinhabers und ohne seine Zustimmung, ist
Diebstahl, Emma.«
»Wie konntest du nur, Tess? Wie
konntest du das zulassen, wo du doch weißt, was mit Mama geschehen ist? Habe
ich nicht schon genug Probleme, ohne auch noch meinen Mann im Gefängnis zu
haben?«
»Zufällig habe auch ich Probleme,
Emma — unter anderem einen schwer verletzten Mann.«
Das schien Emma ein wenig zu besänftigen.
»Was soll ich tun, Tess?« fragte sie kleinlaut.
Tess seufzte. Gott, sie war so müde!
»An deiner Stelle, Emma, würde ich zu Cedrick Golden gehen und ihn bitten,
etwas von dem Geld zurückzugeben, das Rod in sein Stück investiert hat. Ich bin
sicher, daß die Bank die Anklage gegen Rod fallenläßt, wenn sie ihr Geld
zurückbekommt.«
»Warum sollte ich zu Cedrick
Golden gehen?« versetzte Emma entrüstet. »Du hast das Theater mit der Bank doch
angefangen und dafür gesorgt, daß Anklage gegen Rod erhoben wird!«
Tess schüttelte in stummer
Bestürzung den Kopf.
Weitere Kostenlose Bücher