Corbins 04 - Wer den Weg des Herzens folgt...
kannst
du auch gleich hierbleiben!«
Quinn hatte die Eingangshalle
erreicht und wollte die Tür gerade öffnen, als Melissa sich mit ausgebreiteten
Armen vor ihn schob. »Ich lasse mich nicht als Lügnerin bezeichnen«, sagte sie.
»Weder von dir noch von sonst jemandem ...«
Quinn seufzte. »Melissa ...«
Melissa hielt die Stellung.
Ein zärtlicher Ausdruck huschte über
Quinns Gesicht, er strich mit dem Daumen über ihre Wange. »Na schön, ich glaube
dir. Kann ich jetzt gehen? Ich habe etwas in der Mühle zu erledigen.«
Seine Berührung hatte einen
verwirrenden Effekt auf Melissa, aber das ließ sie sich natürlich nicht
anmerken. »Kommst du zum Essen nach Hause?« fragte sie, wie es jede andere Frau
getan hätte.
Er zuckte mit den Schultern. »Das
weiß ich nicht. In letzter Zeit hat es Schwierigkeiten im Holzfällerlager
gegeben. Vielleicht muß ich in die Berge hinauf.«
Der Gedanke rief ein seltsames
Unbehagen in Melissa wach. »Bleibst du dann die ganze Nacht?«
»Vielleicht sogar mehrere Tage.«
Quinn grinste mutwillig. »Wirst du mich vermissen, wenn ich so lange fort
bin?«
Melissa öffnete die Tür und forderte
ihn mit einer Handbewegung auf, hinauszugehen. Frechheit! dachte sie entrüstet.
»Keine Sekunde lang, Mister
Rafferty«, versicherte sie ihm.
Quinn lachte, schüttelte den Kopf,
ging hinaus und überließ es seiner liebenden Frau, die Tür zu schließen.
Von einer unerklärlichen
Ratlosigkeit ergriffen, beschloß Melissa, die Gelegenheit zu nutzen und sich
ein bißchen im Haus umzusehen.
Es waren noch drei andere
Schlafzimmer vorhanden, von denen eines noch nach dem Parfüm ihrer Mutter roch.
Im angrenzenden Raum bezog Helga gerade das Bett und warf Melissa, als sie
eintrat, einen argwöhnischen Blick zu.
Melissa lächelte sie an und ging
hinaus.
Im nächsten Zimmer schaute sie sich
eingehender um, denn es war eindeutig das Zimmer einer Frau. Die Bettdecke
bestand aus blaßrosa Satin, am Fenster stand ein Schminktisch, und
chintzbezogene Sessel rahmten einen kleinen, mit Elfenbein verzierten Kamin,
vor dem ein Paar zierlicher Hausschuhe stand.
Melissa wußte, daß Helga und Mrs.
Wright beide in den Räumen hinter der Küche schliefen, und andere Leute lebten
nicht im Haus.
Ein unbehagliches Gefühl erwachte in
ihr, aber sie bemühte sich, keine voreiligen Schlußfolgerungen zu ziehen.
Es war sehr unwahrscheinlich, daß dieses
Zimmer einmal Gillian gehört hatte; sie hätte vermutlich Quinns Schlafzimmer
geteilt.
Auf Zehenspitzen durchquerte Melissa
den Raum und öffnete einen Schrank aus honigfarbener, polierter Eiche. Er war
gefüllt mit prächtigen Abendkleidern, eleganten Tageskleidern und zarten
Negligés.
Melissa trat zurück, als wäre sie
bei einer verbotenen Handlung ertappt worden, schloß leise den Schrank und
schlüpfte aus dem Zimmer. Auf dem Korridor kehrte ihr Mut jedoch zurück, und
sie machte sich auf die Suche nach Mrs. Wright.
Die Haushälterin war in der Küche
und schälte Erbsen. Wie immer, wenn Melissa ihr Territorium betrat, hob sie
alarmiert den Kopf.
»Das Negligé, das Sie mir geliehen
haben — wem gehört es?«
Die ältere Frau seufzte. »Ich
glaube, das wissen Sie, Mrs. Rafferty«, erwiderte sie ausweichend.
Melissa nickte. »Ich möchte wissen,
wer diesen Raum benutzt.«
Mrs. Wright schüttelte den Kopf.
»Fragen Sie lieber Ihren Mann«, antwortete sie, jedoch nicht unfreundlich.
Wenn du als Reporterin und
Herausgeberin einer guten, ehrlichen Zeitschrift Erfolg haben willst, dachte Melissa, mußt du lernen,
ein Thema zu verfolgen, bis du Auskunft erhältst ...
Sie verschränkte die Arme hinter dem
Rücken und begann in der Küche auf und ab zu gehen. Dabei schaute sie die Haushälterin
unverwandt an, und Mrs. Wright wurde nervös.
»Mein Mann ist für mehrere Tage
außer Haus«, sagte Melissa schließlich nach einem langen, spannungsgeladenen
Schweigen. »Deshalb frage ich mich noch einmal wer schläft in diesem Zimmer?«
Wieder seufzte Mrs. Wright. »Na
schön«, sagte sie resigniert. »Mister Raffertys Schwester Mary schläft dort,
wenn sie in den Ferien aus der Schule kommt.«
Melissa schüttelte verwundert den
Kopf. »Warum haben Sie mir das nicht gleich gesagt? Schließlich ist es etwas anderes,
als wenn Quinn sich dort eine Mätresse hielte.«
Die Haushälterin errötete. »Miss
Mary ist ... etwas ganz Besonderes — und ihr Bruder möchte, daß sie gut
behandelt wird.«
»Komisch, daß er nie von ihr
gesprochen hat«, bemerkte
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