Cordina's Royal Family 1-4
so tun, als ob nichts passiert wäre, oder er konnte sie hinauswerfen, sprich, sie in die Stadt fahren und irgendwo absetzen.
Die letzte Möglichkeit schien ihm die sicherste zu sein.
Er war gerade halb die Treppe hinuntergegangen, als ihm Kaffeeduft in die Nase stieg, der seine Entschlusskraft entschieden schwächte. Er konnte es an den Fingern einer einzigen Hand abzählen, wie oft er in seinem Erwachsenenleben aufgewacht war und frischen Kaffeeduft gerochen hatte.
Dann stieg ihm der Duft von gebratenem Speck in die Nase.
Sie spielt mit gezinkten Karten, dachte er. Typisch Frau.
Als er die Küche betrat, drehte sie sich um, in der Hand einen Kaffeebecher. Statt ihm den Becher zu reichen, stellte sie ihn auf dem Tisch ab. Sie lächelte nicht, aber ihr Blick begegnete ruhig dem seinen.
„Ich möchte mich für mein Benehmen entschuldigen.”
Ihr Ton, der förmlich war wie der eines Richters, warf ihn beinahe um. Er beschloss, dass es am besten war zu schweigen – und Kaffee zu trinken.
„Es war”, fuhr sie fort, „absolut unverzeihlich. Ich habe die Situation ausgenutzt und Ihre Gastfreundschaft schändlich missbraucht. Es tut mir schrecklich Leid. Es ist Ihr gutes Recht, mich jetzt einfach vor die Tür zu setzen. Obwohl ich hoffe, dass Sie es nicht tun werden, aber ich könnte es Ihnen nicht verdenken.”
Spielte sie wirklich mit gezinkten Karten? Er schaute sie über den Rand seiner Kaffeetasse hinweg forschend an. Sie stand ernst und geduldig da, während auf dem Herd hinter ihr in der Pfanne der Schinken brutzelte.
„Vergessen wir es einfach.”
Sie spürte Erleichterung in sich aufsteigen, aber sie hatte noch nicht alles gesagt, was gesagt werden musste. „Das ist sehr großzügig von Ihnen.” Sie griff nach einer Gabel und wendete die Schinkenscheiben. „Ich möchte Ihnen sagen, dass ich so etwas vorher noch nie gemacht habe.”
Er dachte an den Kuss, an die schwelende Wirkung, die er gehabt hatte.
„Was?”
„Mich einem Mann an den Hals geworfen.” Die Erinnerung trieb ihr die Schamesröte in die Wangen, aber sie machte sich weiterhin mit ruhiger Hand am Herd zu schaffen. „Mir ist erst hinterher klar geworden, dass, wenn es umgekehrt gewesen wäre … wenn Sie sich derart danebenbenommen hätten – besonders wenn ich gehandikapt gewesen wäre…”
„Ich bin nicht gehandikapt.” Verärgert trank er seinen Kaffee aus und stand auf, um sich nachzuschenken.
„Nun … auf jeden Fall wurde mir klar, dass es abscheulich gewesen wäre, wenn nicht sogar strafbar, deshalb …”
„Wir haben unsere Lippen aufeinander gepresst, das ist al es”, erwiderte er schroff, weil er sich immer unbehaglicher fühlte. „Das ist doch kein Weltuntergang.”
Sie warf ihm einen Blick zu, dann schaute sie wieder weg. Egal, ob es ein Weltuntergang war oder nicht, auf jeden Fall hatte es ihn für den größten Teil der Nacht aus dem Haus getrieben. Deshalb durfte sie sich nicht so leicht davonkommen lassen. „Jede derartige Handlung muss auf Gegenseitigkeit beruhen, andernfalls ist es sexuelle Belästigung.”
„Der Tag, an dem mich eine Frau mit einem dünnen Hintern belästigen kann, ist der Tag, an dem sie Schweine in den Weltraum schießen.”
„Ich bin nicht dünn, weder am Hintern noch sonst wo, aber ich war wütend auf Sie und fühlte mich gleichzeitig von Ihnen angezogen – weiß der Himmel, warum –, und es ist meine Pflicht, diese beiden Reaktionen ebenso wie meine Neugier unter Kontrolle zu halten. Ich weiß es zu schätzen, dass Sie meine Entschuldigung annehmen. Und wenn Sie jetzt frühstücken möchten, werde ich die Crêpes machen.”
Nach diesen Worten drehte sie sich um, um die Schinkenscheiben aus der Pfanne zu nehmen und auf einen Teller zu legen. Bevor sie dazu kam, die Eier für die Crêpes in eine Schüssel zu schlagen, riss er sie herum, legte ihr eine Hand unters Kinn und zog sie auf die Zehenspitzen. Dann presste er seinen Mund auf ihren.
Die Gabel rutschte ihr aus der Hand und fiel klappernd auf den Tresen.
Hilflos ließ sie die Arme sinken. Es war ein Überfall, ein herrlicher, Schwindel erregender Überfall, bei dem sie weiche Knie bekam und Hitzewellen sie durchfluteten, und das alles ganz plötzlich. In dem Moment, da sie gegen ihn sank, versetzte er ihr einen leichten Schubs. Und trat einen Schritt zurück.
„So. Jetzt sind wir quitt”, sagte er, holte sich seinen Kaffee und setzte sich wieder. „Was für Crêpes gibt es?”
5. KAPITEL
Die Bartstoppeln
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