Cordina's Royal Family 1-4
gesagt hatte, ganz ehrlich. Eigentlich sollte er stolz sein, und ihr Vertrauen würde ihm sogar seine Arbeit erleichtern.
Warum nur fühlte Reeve sich jetzt so unwohl in seiner Haut? Warum hatte er das bestimmte Gefühl, vorsichtig sein zu müssen?
Er hätte die Aufforderung des Fürsten ablehnen können, die Schein-Verlobung mit Gabriella einzugehen. Die Tatsache, dass es sich dabei um die logische Lösung eines höchst delikaten Problemes handelte, wurde nicht durch die Unsinnigkeit des Vorhabens aufgewogen. Und doch hatte er akzeptiert. Warum? Weil Gabriella seine Gedanken beherrschte?
„Die kleine Bucht dort drüben sieht herrlich ruhig aus“, rief Gabriella und deutete mit der Hand in die Richtung. Ohne große Eile brachten sie das Boot auf den neuen Kurs. Sie nutzte den Wind gut aus, und nachdem sie die Taue festgezurrt hatte, setzte sie sich auf die Bank und blickte über die glitzernde Wasserfläche hinweg.
„Von hier sieht Cordina wie auf einer Postkarte aus, so zusammengewürfelt und weiß-bunt, richtig hübsch. Man kann sich nicht vorstellen, dass dort etwas Schreckliches passieren könnte.“
Auch Reeve sah zur Stadt hinüber. „Aber Märchen gehen doch in der Regel nicht ohne Grausamkeiten ab, oder?“
„Sie haben Recht.“ Gabriella sah zum Palast hinauf. Wie kühn er dort thronte, mächtig und doch elegant. „Wie sehr Cordina auch nach einer Märchenstadt aussehen mag, sie ist es nicht. Findet Ihr praktischer, demokratisch denkender amerikanischer Verstand unsere Schlösser, den Prunk und das Protokoll lächerlich?“
Jetzt musste Reeve schmunzeln. Gabriella erinnerte sich zwar nicht an ihre Herkunft, aber ihr Verhalten war unverkennbar aristokratisch. „Ich finde, das Land wird sehr klug regiert. Lebarre ist einer der besten Häfen der Welt. In kultureller Hinsicht steht Cordina keiner anderen Großstadt nach, und die Wirtschaft hier ist gesund.“
„Richtig. Auch ich habe meine Lektion gelernt. Aber …“ Gabriella fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, ehe sie sich zurücklehnte und beide Arme um ihre Knie schlang. „Wussten Sie, dass es bis nach dem Zweiten Weltkrieg kein Wahlrecht für Frauen gab? Dann wurde es ihnen wie eine Gnade, nicht wie angestammtes Recht, bewilligt. Auch das Familienleben ist hier noch sehr patriarchalisch orientiert. Die Frau steht hinter ihrem Mann zurück, der alle Entscheidungen trifft.“
„In der Theorie oder in der Praxis?“ erkundigte sich Reeve.
„In der Praxis, soweit ich es beurteilen kann. Sogar der Titel meines Vaters kann laut Verfassung nur auf einen männlichen Erben übergehen.“
Reeve hörte aufmerksam zu. „Ärgert Sie das?“
Gabriella warf ihm einen eigenartigen, fragenden Blick zu. „Ja, natürlich.
Nur weil ich keine Lust zum Regieren verspüre, heißt das noch lange nicht, dass ich das Gesetz bil ige. Mein Großvater war derjenige, der den Frauen in Cordina das Wahlrecht zugesprochen hat, und mein eigener Vater ging noch einen Schritt weiter, indem er Frauen in wichtige Regierungsämter berief. Aber die Veränderungen gehen zu langsam vor sich.“
„Da kann man nichts machen.“
„Sie sind von Natur aus praktisch und vor allem geduldig veranlagt. Ich nicht“, fuhr Gabriella mit einem Achselzucken fort. „Wenn Veränderungen zum Besseren führen, dann sehe ich keinen Grund, warum sie so lange brauchen.“
„Sie müssen die gesellschaftliche Entwicklung berücksichtigen.“
„Besonders dann, wenn einige Leute viel zu sehr in den Traditionen verwurzelt sind, um die Vorteile des Fortschritts zu erkennen.“
„Loubet.“
Gabriella nickte ihm zustimmend zu. „Jetzt sehe ich, warum mein Vater Sie gern hier bei uns hat, Reeve.“
„Wie viel wissen Sie von Loubet?“
„Ich kann lesen“, antwortete Gabriella einfach, „ich kann zuhören. Das Bild, das ich von ihm habe, ist das eines sehr konservativen Mannes.
Verbohrt.“ Sie erhob und reckte sich, so dass ihr Bikini-Höschen sich über ihren Hüften spannte. „Gewiss, auf seine Art ist er ein guter Minister, aber viel zu zurückhaltend. In meinem Tagebuch habe ich gelesen, wie sehr er mich von meiner letztjährigen Afrika-Reise abzuhalten versucht hat. Er fand, es schicke sich nicht für eine Frau. Er meint auch, es gehöre sich nicht für mich, mit dem Nationalrat über Etatfragen zu sprechen.“ Gabriellas Worte ließen ihre Enttäuschung erkennen. Sie lernt schnell, dachte Reeve. „Wenn man Männern wie Loubet ihren Willen ließe, dann stünden die
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