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Corkle 1

Corkle 1

Titel: Corkle 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas
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verschossen haben. Und schließlich habe ich auch die ideale Zielscheibe gefunden.«
    »Was war das?«
    »Tomatensaftbüchsen. Ich hab sie kistenweise gekauft, sie vor der Scheunenwand aufgestellt, die Oberseite zu mir, und darauf losgeballert. Hast du je gesehen, was ein 357er Geschoß aus einer Tomatensaftbüchse macht?«
    »Nie«, sagte ich, »aber ich mach mir auch nicht viel aus Tomatensaft.«
    »Das geht peng und klatsch und pladder. Das verdammte Zeug spritzt überall hin. Sieht wie Blut aus. Die Büchse wird platt, als ob man sie mit einer Metallschere geschlitzt und dann mit einem Vorschlaghammer flachgeklopft hätte. Hat Spaß gemacht.«
    »Aber aus dem Spaß mit deinen Partnern ist nichts geworden, oder?«
    »Nein. Statt dessen habe ich ein paar Wochen auf Entzug in einer Klapsmühle verbracht.«
    Cooky schloß den Koffer und schlüpfte in seinen Mantel. »Wollen wir gehen?«
    Ich blickte auf die Uhr. Es war zwanzig nach neun. Im Café Budapest sollten wir um zehn sein. »Du mußt nicht mitkommen, Cooky. Wahrscheinlich kriegst du nur Ärger.«
    Sein Geheimlächeln flackerte kurz auf. »Sagen wir doch einfach, daß ich gern mitkomme, weil ich schon dreiunddreißig bin und noch nie etwas wirklich bis zum Ende durchgezogen habe.«
    Ich hob die Schultern. »Mit dreiunddreißig haben sie Jesus vom Platz gestellt, und er ist wieder reingekommen. Aber du versuchst es wirklich auf die harte Tour.«
    Wir fuhren mit dem Fahrstuhl nach unten und gingen schnell durch die Halle. Niemand starrte uns nach oder zeigte auf uns. John Weatherby lag wohl immer noch allein und unentdeckt und tot in meinem Zimmer. Ich konnte nicht um ihn trauern, weil ich ihn nicht gekannt hatte; mir hatte jedoch seine ruhige Kompetenz gefallen, die er ausstrahlte. Wenn mich etwas berührte, dann daß sein Tod allzu zufällig und sinnlos schien, wie die meisten gewaltsamen Tode. Aber vielleicht ist so ein Tod besser als jener in dunklen, stillen Räumen, unter schmerzstillenden Drogen, von flüsternden, auf Gummisohlen schleichenden Schwestern umgeben und von einer Familie oder Freunden, denen es etwas bedeutet, die sich aber zugleich fragen, wie lange man wohl durchhält und ob sie eine Chance haben, die Cocktailverabredung um halb sieben einzuhalten.
    Wir verließen das Hilton und gingen in Richtung Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.
    »Wann warst du zum letzten Mal im Ostsektor?« fragte Cooky.
    »Vor Jahren. Ehe die Mauer gebaut wurde.«
    »Wie bist du hinübergekommen?«
    Ich versuchte, mich zu besinnen. »Ich glaube, ich war leicht angesäuselt. Ich erinnere mich an zwei Mädchen aus Minneapolis, die im Hilton wohnten. Wir haben einfach ein Taxi genommen und sind durchs Brandenburger Tor gegondelt. Ohne Probleme.«
    Cooky sah über die Schulter zurück. »Das hat sich geändert. Wir Ausländer gehen jetzt durch den Checkpoint Charlie in der Friedrichstraße. Es kann etwa eine Stunde dauern, bis man durchkommt. Hängt ganz davon ab, wie den Vopos das Abendessen geschmeckt hat. Hast du deinen Paß?«
    Ich nickte.
    »Es gab einmal achtzig offizielle Übergänge nach Ostberlin«, sagte Cooky. »Jetzt sind es acht. Wir brauchen einen Wagen.«
    »Vorschläge?« sagte ich und blickte über die Schulter zurück.
    »Wir mieten einen. In der Brandenburgischen Straße gibt’s eine Autovermietung namens Tag und Nacht.«
    Wir erwischten ein Taxi und ließen uns in die Brandenburgische Straße bringen. Wir mieteten einen neuen Mercedes 220. Ich legte meinen Führerschein vor.
    »Wie lange brauchen Sie den Wagen?« fragte der Vermieter.
    »Zwei oder drei Tage.«
    »Dann genügt eine Anzahlung von zweihundert Mark.«
    Ich gab ihm das Geld, unterschrieb den Mietvertrag und legte die Zulassung und die anderen Papiere ins Handschuhfach. Ich setzte mich ans Steuer, trat ein paarmal auf die Bremse, um festzustellen, ob sie funktionierte, und ließ den Motor an. Cooky stieg ein und schlug die Tür hinter sich zu.
    »Klingt nach Blech«, sagte er.
    »Sie sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.«
    »Das waren sie nie.«
    Ich bog aus dem Tag-und-Nacht-Verleih nach links ab und fuhr zur Friedrichstraße. In Berlin kann man normalerweise die Geschwindigkeitsbegrenzung ignorieren, aber ich pendelte zwischen bescheidenen vierzig und fünfzig Stundenkilometern. Der Wagen fuhr sich gut, war aber nicht besonders anzugsfreudig. Eben eine Maschine, die entworfen war, einen mit einem Minimum an Unbequemlichkeit irgendwohin und wieder zurückzubringen. Ich bog nach

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