Corum 01 - Der scharlachrote Prinz
Verwesung.
»Es sieht nicht so aus, als könntet Ihr viele Käufer anlocken«, brummte Corum.
Shool rümpfte die Nase. »Es gibt auch nicht viele, denen ich etwas anbieten würde. Aber wartet - « In seiner Jungmädchengestalt trippelte er auf eine Truhe zu, die zum Teil mit dem glänzenden Fell eines Tieres bedeckt war, das einmal sehr groß und wild gewesen sein mochte. Er schob das Fell unwirsch zur Seite und murmelte etwas vor sich hin. Ohne daß er ihn berührte, hob sich der Deckel der Truhe. Eine Wolke aus schwarzer Substanz drang heraus. Shool stolperte ein paar Schritte zurück, ehe er beschwörend die Hände ausbreitete und etwas in einer fremden Sprache kreischte. Die schwarze Wolke verschwand. Vorsichtig näherte Shool sich wieder der Truhe und blickte hinein. Zufrieden schnalzte er mit der Zunge. »Ah - hier haben wir es - «
Er brachte zwei Beutel zum Vorschein, von denen einer bedeutend kleiner als der andere war. Er hielt sie vor Corums Nase und grinste. »Eure Geschenke!«
»Ich glaubte, Ihr würdet mir meine Hand und mein Auge wiedergeben.«
»Nicht Eure ursprünglichen. Ich habe viel nützlichere für Euch. Habt Ihr schon einmal etwas von den verschwundenen Göttern gehört?«
»Nein.«
»Die verschwundenen Götter, die Brüder waren? Sie hießen Lord Rhynn und Lord Kwll. Es gab sie schon, noch ehe ich das Universum mit meiner Gegenwart beehrte. Irgendwie waren sie in eine Streiterei verwickelt, die in Kampf ausartete. Was genau geschehen ist, weiß niemand mehr. Jedenfalls verschwanden sie, ob nun freiwillig oder unfreiwillig, das weiß ich nicht. Aber sie ließen jeder ein Stück von sich selbst zurück.« Wieder hielt er Corum die beiden Beutel unter die Nase. »Das hier.«
Der Vadhagh schüttelte ungeduldig den Kopf.
Shool benetzte mit seiner Jungmädchenzunge seine Jungmädchenlippen. Die alten Augen funkelten Corum an. »Die Geschenke, die ich hier habe, gehörten einst diesen beiden streitenden Göttern. Ich hörte eine Legende, daß sie sich bis zum Tode bekriegten, und nur diese beiden Dinge hier blieben, um überhaupt von ihrer früheren Existenz zu künden.« Er öffnete den kleineren der beiden Beutel. Ein über und über mit Juwelen besetztes Ding fiel in seine Hand. Er streckte sie Corum entgegen, damit er den Gegenstand näher betrachte. Er war mit den verschiedensten Edelsteinen facettiert und funkelte in düsteren Farben, in tiefen Rot-, Blauund Schwarztönen.
»Es ist schön«, sagter Corum. »Aber was soll ich - «
»Wartet!« Shool leerte den größeren Beutel auf den Deckel der Truhe, die sich wieder von selbst geschlossen hatte. Er hob den Gegenstand auf und zeigte ihn dem Vadhagh.
Corum atmete heftig. Er sah aus wie ein Handschuh für fünf Finger und einen Daumen. Auch er war über und über mit fremdartigen, dunklen Edelsteinen verziert.
»Was soll ich mit diesem Handschuh?« brummte Corum. »Er ist für eine linke Hand mit sechs Fingern. Ich habe fünf Finger und keine linke Hand.«
»Es ist kein Handschuh. Es ist Kwlls Hand. Er hatte vier, aber er ließ diese zurück. Soviel ich weiß, schlug sein Bruder sie ihm ab.«
»Eure Späße liegen mir nicht, Zauberer. Sie sind mir zu makaber. Ihr vergeudet nur Eure Zeit.«
»Besser, Ihr gewöhnt Euch an meine Späße, wie Ihr sie nennt, Meister Vadhagh.«
»Dazu sehe ich keinen Grund.«
»Dies hier sind die Geschenke. Als Ersatz für Euer fehlendes Auge biete ich Euch das Auge Rhynns. Und als Ersatz für Eure fehlende Linke - Kwlls Hand!«
Corums Mund verzog sich vor Ekel. »Ich will nichts damit zu tun haben! Ich will keine Körperteile von Toten! Ich dachte, Ihr könntet mir meine eigene zurückgeben! Ihr habt mich hereingelegt, Zauberer!«
»Unsinn. Ihr versteht nicht, welchen Wert diese Dinge haben. Sie werden Euch größere Kräfte verleihen, als je einer Eurer Rasse oder der Mabden gekannt hat! Das Auge kann in Gebiete von Zeit und Raum blicken, die nie ein Sterblicher zu sehen vermochte. Und die Hand - die Hand kann Hilfe aus jenen Gebieten herbeiholen. Ihr glaubtet doch nicht, ich würde Euch in die Höhle des Löwen schicken ohne geeigneten Beistand?«
»Und wie weitreichend sind diese Kräfte?«
Shool zuckte die Jungmädchenschultern. »Ich hatte keine Gelegenheit, sie zu erproben.«
»Sie zu benutzen, könnte also mit Gefahr verbunden sein?«
»Warum sollte es?«
Corum überlegte. War es besser, Shools ekelerregende Geschenke anzunehmen und das Risiko einzugehen, um zu überleben und Glandyth
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