Corum 01 - Der scharlachrote Prinz
liebenden Gemahls!« kam eine beleidigt klingende Stimme aus dem Nirgendwo.
»Gebt sie sofort frei, Shool!«
Die Szene löste sich auf. Rhalina stand plötzlich keuchend und völlig verstört in dem Raum ohne Tür. »Corum?« fragte sie ungläubig.
Corum rannte auf sie zu und schloß sie in seine Arme, aber sie zuckte schaudernd zurück. »Bist du es wirklich, Corum? Oder bist du ein Phantom? Ich schloß eine Abmachung, um Corum zu retten.«
»Ich bin Corum. Und ich wiederum habe eine Abmachung getroffen, um dich zu retten, Rhalina.«
»Ich hatte nicht geahnt, daß es so grauenhaft sein würde. Ich begriff die Bedingungen nicht - er - er wollte - «
»Auch die Toten wollen ihr Vergnügen, Mistreß Rhalina.« Eine anthropoide Kreatur in grünem Rock und gleichfarbigen Beinkleidern stand hinter ihnen. Sie nahm Corums Erstaunen kichernd zur Kenntnis. »Ich habe verschiedene Körper, die ich benützen kann. Dies hier war ein Vorfahr der Nhadragh, glaube ich.«
»Wer ist das, Corum?« fragte Rhalina. Sie schmiegte sich an ihn, und er drückte sie fest an sich. Sie zitterte am ganzen Körper. Ihre Haut war seltsam klamm.
»Das ist Shool-an-Jyvan. Er behauptet, ein Gott zu sein. Er sorgte dafür, daß deine Beschwörung erhört wurde. Und nun hat er vorgeschlagen, daß ich ihm eine kleine Gefälligkeit erweise, dafür wirst du hier ungestört bleiben, bis ich wiederkomme. Und danach werden wir gemeinsam heimkehren.«
»Aber warum hat er - «
»Nicht an Euch war ich interessiert, Lady«, erklärte Shool ihr ungeduldig. »Sondern an Eurem Liebsten. Nun habe ich Eurem Gatten gegenüber mein Versprechen gebrochen und meine Macht über ihn verloren. Es ist zu ärgerlich.«
»Ihr habt Eure Macht über Mordel, den Markgrafen, verloren?« erkundigte Rhalina sich.
»Ja, ja. Nun ist er völlig tot. Es wäre viel zu anstrengend, ihn wiederzubeleben.«
»Ich danke Euch, daß Ihr ihn freigegeben habt«, sagte Rhalina.
»Es war nicht meine Idee. Meister Corum wollte es so.« Prinz Shool seufzte. »Aber es gibt ja noch genügend Tote in der See. Ich werde mir eben ein anderes Schiff suchen.«
Rhalina fiel in Ohnmacht. Corum stützte sie mit seiner gesunden Hand.
»Na, seht Ihr«, triumphierte Shool. »Die Mabden fürchten mich.«
»Wir brauchen etwas zu essen, frische Kleidung, Betten und so fort«, begehrte Corum, »ehe ich mich weiter mit Euch unterhalte, Shool.«
Shool verschwand.
Einen Augenblick später stand der Raum voller Möbel und allem anderen, was Corum verlangt hatte.
Der Vadhagh zweifelte nun nicht mehr an der Macht des Zauberers, wohl aber an dessen geistiger Gesundheit. Er entkleidete Rhalina, wusch sie und legte sie in ihr Bett. Da erwachte sie, ihre Augen noch voll Angst, aber sie lächelte Corum an.
»Jetzt kann dir nichts mehr geschehen«, murmelte er. »Schlafe.«
Und sie schlief.
Danach badete Corum und untersuchte die Kleidung, die für ihn bereitgelegt war. Er spitzte die Lippen, als er die zusammengefaltenen Stücke hochnahm und nun die Rüstung und Waffen betrachtete, die Shool ebenfalls nicht vergessen hatte. Es waren Vadhagh-Sachen, und sogar ein scharlachroter Mantel befand sich darunter, der ohne alle Zweifel sein eigener war. Corum begann die Konsequenzen neu abzuschätzen, die sich aus seinem Pakt mit dem merkwürdigen Zauberer von Svi-an-Fanla-Brool ergeben würden.
DAS ZWEITE KAPITEL
Das Auge Rhynns und die Hand Kwlls
Corum hatte geschlafen.
Doch plötzlich stand er aufrecht. Er öffnete die Augen.
»Willkommen in meiner kleinen Werkstatt.« Shools Stimme kam von hinter ihm. Corum drehte sich um. Diesmal stand er einem bildschönen Mädchen von ungefähr fünfzehn Jahren gegenüber. Das Kichern, das aus der jungen Kehle drang, war allerdings abstoßend. Corum blickte sich in dem großen Raum um. Er war dunkel und mit allem möglichen vollgestopft. Es gab die verschiedensten Arten von Pflanzen, ausgestopfte Tiere, Bücher und Manuskripte in schiefen Regalen. Es gab Kristalle von ungewöhnlicher Farbe und nicht alltäglichem Schliff. Es gab verschiedene Rüstungen, juwelenverzierte Schwerter, morsche Säcke, aus denen Schätze aber auch andere namenlose Substanzen quollen. Es gab Gemälde und Statuen, eine Menge verschiedene Instrumente und Meßgeräte, darunter Waagen, die aussahen wie Uhren, mit exzentrischen Einteilungen in Sprachen, die Corum nicht kannte. Kleine Geschöpfe huschten über die kuriose Ansammlung und zischelten in den Ecken. Es stank nach Staub und Moder und
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