Corum 01 - Der scharlachrote Prinz
mißtrauisch. Die Bewegung ließ ihn blinzeln. Mit einem Mal sah er eine Anzahl verschiedener Szenen, während sein normales Auge nur Shool erblickte. Es waren dunkle Bilder, die ständig wechselten, bis schließlich eines vorherrschte.
»Shool! Was ist das für eine Welt?«
»Ich weiß es nicht genau. Manche behaupten, es gäbe noch weitere fünfzehn Ebenen, die eine Art verzerrter Spiegelbilder der unsrigen sind. Vielleicht ist es eine von diesen, hm?«
Irgendeine halbfeste Substanz begann zu sprudeln und Blasen zu bilden, verschwand, kam wieder und verschwand erneut. Phantastische Kreaturen krochen ins Bild und wieder heraus. Flammen züngelten, feste Masse wurde zu Flüssigkeit, nie zuvor erschaute Tiere wuchsen zu gewaltiger Größe und schrumpften zusammen, ihr Fleisch schien zu zerfließen und sich neu zu formen.
»Ich bin froh, daß ich nicht in jene Welt gehöre«, murmelte Corum. »Hier, Shool, laßt mich den Schild haben.«
Er nahm das Ding und schob es über das Auge Rhynns. Die Szenen verschwanden und nun sah er nur noch Shool und Rhalina -aber mit beiden Augen.
»Ah, ich vergaß zu erwähnen, daß dieser Schild Euch von den Schemen der anderen Welt bewahrt, nicht jedoch dieser.«
»Was hast du erblickt, Corum?« fragte Rhalina leise.
Er schüttelte den Kopf. »Nichts, was leicht zu beschreiben wäre.«
Rhalina blickte Shool an. »Ich wollte, Ihr würdet Eure Geschenke zurücknehmen, Prinz Shool. Sie sind nicht für Sterbliche bestimmt.«
Shool grinste. »Er ist nun kein Sterblicher mehr. Ich sagte doch, er ist ein Halbgott.«
»Und wie werden sich die Götter dazu stellen?«
»Nun, natürlich wären einige nicht sehr erfreut, wenn sie von Meister Corums neuen Kräften erfahren würden, aber ich halte es für sehr unwahrscheinlich, daß sie es tun.«
Rhalina wies ihn grimmig zurecht. »Ihr nehmt diese Dinge zu leicht, Zauberer. Wenn auch Corum noch nicht in vollem Maß erkennt, was Ihr ihm angetan habt, ich jedenfalls erkenne es sehr wohl. Es gibt Gesetze, welche die Sterblichen achten müssen. Ihr, Prinz Shool, habt sie jedoch gebrochen und werdet dafür bestraft werden - so wie Eure Geschöpfe bestraft und vernichtet werden!«
Shool wehrte geringschätzig mit seinen Bärenpranken ab. »Ihr vergeßt, daß ich über nicht ganz unbeträchtliche Macht verfüge.
Bald werde ich in der Lage sein, mich mit jedem Gott, der es wagen sollte, mich herauszufordern, zu messen und ihm zu zeigen, wer der Bessere ist.«
»Ihr platzt ja bald vor Größenwahn«, warnte ihn Rhalina. »Ihr seid nichts weiter als ein sterblicher Zauberer.«
»Hütet Eure Zunge, Mistreß Rhalina! Hütet Eure Zunge, oder Ihr werdet ein noch viel schlimmeres Geschick erleiden als das, vor dem ich Euch bewahrt habe. Wenn ich Meister Corums Dienste nicht so sehr bedürfte, hätte ich mir längst etwas recht Amüsantes für Euch ausgedacht. Also, schweigt!«
»Wir vergeuden schon wieder Zeit«, warf Corum ein. »Ich möchte meine Aufgabe bald hinter mir haben, damit Rhalina und ich wieder nach Hause zurückkehren können.«
Shool beruhigte sich und wandte Rhalina den Rücken zu. »Ihr seid ein Tor, Euch so viel aus dieser Kreatur zu machen. Wie alle ihrer Art fürchtet sie wahres Wissen, fürchtet sie die absolute, dunkle Weisheit, die allein Macht verleiht.«
»Wir wollen uns jetzt über den Schwertritter unterhalten«, lenkte Corum ab. »Wie stehle ich das Herz?«
»Kommt«, brummte Shool.
Sie standen in einem Garten voll monströser Blüten, die einen beinah betäubend süßen Duft ausströmten. Die Sonne schien rot am Himmel über ihnen. Die Blätter der Pflanzen waren dunkel, fast schwarz. Sie raschelten unentwegt.
Shool hatte wieder die Gestalt des Jünglings angenommen und trug nun ein weichfließendes, blaues Gewand. Er führte Corum einen Pfad entlang.
»Ich pflege diesen Garten schon seit Jahrtausenden«, erklärte er dem Vadhagh. »Es gibt hier viele recht ungewöhnliche Pflanzen. Er nimmt einen großen Teil der Insel um mein Schloß herum ein und erfüllt dadurch einen nützlichen Zweck. Es ist ein friedlicher Ort, gut zur Entspannung, aber für einen Fremden ist es schwer, einen Weg hindurch zu finden.«
»Warum heißt diese Insel eigentlich Heim des unersättlichen Gottes?«
»Ich nannte sie so - nach dem Wesen, von dem ich sie übernahm. Ihr müßt wissen, ein anderer Gott lebte dereinst hier, und alle fürchteten ihn. Als ich einen sicheren Ort suchte, wo ich meine Forschungen und Studien in Ruhe
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