Corum 02 - Die Königin des Chaos
Schrecken und Grauen senkten sich über diese Welt. Meine Frau, meine Kinder, sie wurden.« Er beendete den Satz nicht. »Wir alle mußten unvorstellbares Leid erdulden. Aber ob das ein Jahr zurückliegt oder hundert, das weiß ich nicht, denn Xiombarg hatte ihren Spaß daran, die Sonne anzuhalten, damit wir nicht wissen, wieviel Zeit vergeht.«
»Wenn Xiombargs Herrschaft gleichzeitig mit der Ariochs begann«, warf Corum ein, »dann ist es länger als ein Jahrhundert her.«
»Xiombarg scheint auf dieser Ebene die Zeit abgeschafft zu haben«, meinte Jhary. »Relativ gesehen, natürlich nur. Es läßt sich nicht bestimmen, was hier wann geschah.«
Corum nickte. »Doch sagt uns, König Noreg-Dan, was wißt Ihr über die Stadt in der Pyramide?«
»Nun, sie soll ursprünglich nicht von dieser Ebene stammen, obgleich sie auf einer der fünf von Xiombarg beherrschten Ebenen existierte. Um dem Chaos zu entkommen, bewegte sie sich von einer in die andere. Schließlich jedoch sah sie sich gezwungen, auf einer zu bleiben und sich damit zufriedenzugeben, sich gegen Königin Xiombargs Angriffe zu schützen. Soviel ich gehört habe, kosteten der Schwertherrscherin diese Angriffe viel Kraft. Vielleicht verdanken wir ich und andere mit ähnlichem Schicksal diesem Umstand, daß wir überhaupt noch leben. Aber ich weiß es nicht.«
»Es gibt also noch andere?«
»Aye. Ewige Wanderer wie ich. Zumindest gab es sie, doch vielleicht hat Xiombarg sie bereits gefunden.«
»Oder vielleicht fanden sie auch die Stadt in der Pyramide.«
»Möglich.«
»Xiombarg ist gegenwärtig damit beschäftigt, die Ereignisse in Ariochs ehemaligem Herrschaftsgebiet zu beobachten«, erklärte Jhary dem König. »Sie ist sehr an dem Ausgang des Kampfes zwischen den Gefolgsleuten des Chaos und den Verteidigern der Ordnung interessiert.«
»Um so besser für Euch, Prinz Corum«, stellte Noreg-Dan fest. »Denn wüßte sie, daß der Sieger über ihren Bruder sich hier in ihrem Reich befindet, wo sie ihn höchstpersönlich in die Finger bekommen könnte.«
»Davon sprechen wir lieber nicht«, unterbrach Corum ihn.
Und weiter segelten sie auf dem Weißen Fluß, bis sie schon befürchteten, daß es kein Ende seines Laufs und dieser Blutebene gäbe, wie es in dieser Welt auch keine Zeit gab.
»Hat die Stadt in der Pyramide einen Namen?« erkundigte sich Jhary.
»Ihr glaubt, es könnte Tanelorn sein?« fragte Rhalina.
Er grinste und schüttelte den Kopf. »Nein. Ich kenne Tanelorn, und die Beschreibung der Pyramidenstadt, glaube ich, trifft nicht auf sie zu.«
»Manche behaupten, sie sei im Innern einer riesigen Pyramide errichtet worden«, erzählte Noreg-Dan. »Andere wiederum sagen, sie habe lediglich Pyramidenform wie ein gewaltiges Stufenbauwerk. Ich fürchte, es gibt viele Mythen über diese Stadt.«
»Ich glaube nicht, daß mir jemals auf meiner langen Wanderschaft eine solche Stadt untergekommen ist«, murmelte Jhary.
Corum schien zu überlegen. »Irgendwie erinnert es mich an die großen Himmelsstädte, von denen eine während der letzten Schlacht zwischen den Vadhagh und Nhadragh auf der Ebene von Broggfythus zerschellte«, sagte er schließlich. »Unsere Legenden berichten davon, und ich weiß, daß es zumindest diese eine wirklich gegeben hat, denn ihre Trümmer befinden sich unweit Burg Erorn, wo ich aufwuchs. Sowohl die Vadhagh, als auch die Nhadragh besaßen solche Städte, die in der Lage waren, sich durch die Ebenen zu bewegen. Aber als jene Phase unserer Geschichte vorüber war, begannen wir auf unseren Burgen ein ruhigeres Leben zu führen - «. Er biß sich auf die Lippe, denn wieder hatte er ungewollt die alten Erinnerungen heraufbeschworen. »Vielleicht handelt es sich um eine solche Stadt«, schloß er schnell.
»Ich glaube, wir sollten lieber aus diesem Kahn aussteigen«, schlug Jhary vergnügt vor.
»Warum?« Corum stand mit dem Rücken zum Bug.
»Weil der Weiße Fluß und die Blutebene hier zu enden scheinen.«
Corum drehte sich eilig um. Sie näherten sich steil abfallenden Klippen. Die Blutebene endete so abrupt, als wäre sie von einem gigantischen Messer abgeschnitten, und die Flüssigkeit brauste in einen Abgrund.
DAS DRITTE KAPITEL
Die Bestien aus der Tiefe
Der Weiße Fluß schäumte und toste, ehe er in die Tiefe stürzte. Corum und Jhary rissen die Ruder aus ihrer Halterung und benutzten sie, das wild schaukelnde Boot ans Ufer zu lenken.
»Mach dich fertig zum Springen, Rhalina!« brüllte Corum.
Sie stand
Weitere Kostenlose Bücher