Corum 02 - Die Königin des Chaos
weiterwandern, bis wir einen hinunter oder hinüber finden«, seufzte Rhalina. »Irgendwo muß die Schlucht ja einmal enden!«
»Vielleicht«, murmelte Noreg-Dan zweifelnd und fuhr sich über das hagere Gesicht. »Doch bitte erinnert Euch, daß wir uns in einem völlig vom Chaos beherrschten Gebiet befinden. Dem nach zu schließen, was Ihr mir von Ariochs Reich erzählt habt, stand diesem Schwertritter bei weitem nicht die gleiche Macht zur Verfügung wie Xiombarg er war der geringste der Schwertherrscher. Man sagt, Mabelrode, der Schwertkönig, sei sogar noch viel mächtiger als sie. Er soll aus seinem Reich eine stetig die Form und Beschaffenheit ändernde Substanz gemacht haben - «
»Dann hoffe ich nur, daß wir nie gezwungen werden, es zu betreten«, murmelte Jhary. »Mir ist es hier schon zu viel. Vom totalen Chaos halte ich absolut nichts.«
Weiter wanderten sie am Rande des Abgrunds entlang.
Corum war so müde und erschöpft von der Monotonie, daß es eine Weile währte, bis er bemerkte, daß der Himmel sich verdunkelte. Er blickte hoch. Bewegte die Sonne sich jetzt?
Aber sie schien sich nicht von der Stelle gerührt zu haben. Dagegen wirbelten schwarze Wolken, wie vom Sturm bewegt, über den Himmel, auf die entgegengesetzte Seite der Schlucht zu. Waren sie einem Zauberspruch entsprungen? Oder waren sie natürlichen Ursprungs? Corum wußte es nicht. Er blieb stehen. Es war kälter geworden. Auch die anderen wurden auf die Wolken aufmerksam.
Noreg-Dans Gesicht zuckte erschreckt. Er kreuzte die Arme, wie um sich zu wärmen, und benetzte die Lippen. Plötzlich hob sich die kleine schwarzweiße Katze von Jharys Schulter in die Luft und eilte auf ihren schwarzen Schwingen mit den weißen Spitzen davon. Über der Schlucht, schon fast außerhalb Sichtweite, begann sie zu kreisen. Jhary schien verwirrt und beunruhigt, denn Schnurri benahm sich sehr ungewohnt.
Rhalina schmiegte sich an Corum und legte eine Hand auf seinen Arm. Er drückte sie an sich und starrte auf die schwarzen Wolken, die von irgendwo nach nirgendwo wirbelten.
»Habt Ihr jemals so etwas gesehen, König Noreg-Dan?« rief Corum durch die Düsternis. »Haltet Ihr es von Bedeutung?«
Noreg-Dan schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe nie etwas gleiches gesehen. Aber von Bedeutung halte ich es es ist ein Omen, fürchte ich. Ein Omen von Gefahr, die uns vom Chaos droht. Ich habe ähnliche Zeichen erlebt.«
»Dann laßt uns auf das Kommende vorbereiten.« Corum zog sein langes Vadhagh-Schwert und öffnete den scharlachroten Mantel über dem silbernen Kettenhemd, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben. Auch die anderen zogen ihre Klingen und warteten.
Schnurri kam zurückgeflogen. Sie miaute schrill, drängend. Sie hatte etwas im Abgrund entdeckt. Die vier traten näher an den Rand und spähten hinunter. Ein rötlicher Schatten bewegte sich in dem gelben Nebel. Langsam begann er sich daraus hervorzuheben, Gestalt anzunehmen.
Was immer es war, es flog mit fächelnden blutroten Schwingen, und sein grinsendes Gesicht war das eines Hais. Es sah aus, wie etwas, das eigentlich in der See zu Hause sein sollte. Darauf deutete auch die seltsame Weise hin, wie es flog als bewege es sich mit Flossen durch Wasser. Reihe um Reihe von spitzen Zähnen füllte sein Maul. Sein Leib war von der Größe eines ausgewachsenen Bullen, seine Flügelspanne nahezu dreißig Fuß.
Immer höher flog es. Seine Kiefer öffneten und schlossen sich, als wässere ihm bereits das Maul. Seine goldenen Augen brannten vor Hunger und Wildheit.
»Das ist der Ghanh«, stöhnte Noreg-Dan. »Der Ghanh, der die Chaos-Meute in mein Land führte. Er ist eine von Königin Xiombargs Lieblingskreaturen. Er wird uns verschlingen, noch ehe wir auch nur die Schwerter gegen ihn erheben können.«
»Ah, Ihr nennt es also Ghanh auf dieser Ebene«, stellte Jhary interessiert fest. »Ich habe es schon einmal gesehen, und wie ich mich entsinne, konnte es getötet werden.«
»Und auf welche Weise?« drängte Corum, als der Ghanh immer höher und näher kam.
»Das habe ich leider vergessen«, murmelte Jhary.
»Wenn wir uns verteilen, haben wir eine bessere Chance«, riet Corum und trat vom Klippenrand zurück. »Schnell!«
»Verzeiht, wenn ich Euch daran erinnere, Freund Corum«, sagte Jhary und trat ebenfalls zurück. »Aber ich glaube, Eure Unterweltverbündeten könnten uns hier gute Dienste leisten.«
»Diese Verbündeten sind nun die schwarzen Vögel, die uns im Gebirge angriffen. Meint Ihr, sie
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