Corum 03 - Das Ende der Götter
und der Realität wird anders sein.«
»Würde das das Ende von Tanelorn bedeuten?« fragte Corum.
»Vielleicht sogar das Ende von Tanelorn«, antwortete Kwll. »Doch dies ist das einzige, dessen ich mir nicht sicher bin. Der Schlüssel muß mir aus freien Stücken geboten werden.«
»Und was geschieht, wenn ich ihm den Schlüssel biete?« wandte Corum sich an Jhary.
Sein Gefährte schüttelte den Kopf und ließ die kleine schwarzweiße Katze mit dem Kopf aus seinem Wams herausschauen. Gedankenverloren kraulte er sie zwischen den Ohren.
»Dann befreist du Kwll«, brummte das Wesen. »Du befreist auch Rhynn. Jeder hat seinen Preis bezahlt, seine Strafe abgebüßt.«
»Was soll ich tun. Jhary?«
»Ich weiß es nicht.«
»Soll ich einen Handel mit ihm machen? Soll ich ihm sagen, er kann seine Hand haben, wenn er uns gegen den Schwertkönig hilft und auch dabei, die Ordnung in meinem Land wiederherzustellen und Rhalina zu finden?« Jhary zuckte die Schultern.
»Was soll ich tun, Jhary?«
Aber Jhary gab keine Antwort. Corum blickte Kwll fest an. »Ich gebe Euch Eure Hand zurück, unter der Bedingung, daß Ihr Eure gewaltige Macht einsetzt, um die Herrschaft des Chaos auf den fünfzehn Ebenen zu zerschlagen; daß Ihr Mabelrode, den Schwertkönig, unschädlich macht; daß Ihr mir helft, meine große Liebe Rhalina zu finden; daß Ihr mir helft Frieden in mein Land zurückzubringen, so daß dort die Ordnung wieder herrschen kann. Versprecht mir, daß Ihr das tut.«
»Ich verspreche es.«
»Dann biete ich Euch den Schlüssel aus freien Stücken. Nehmt Eure Hand zurück, verschwundener Gott, denn sie hat mir nicht viel mehr als Leid gebracht.«
»Narr!« brüllte Jhary. »Ich sagte Euch doch - «
Aber seine Stimme war schwach und wurde noch schwächer. Corum erlitt erneut die Qualen, die Glandyth ihm im Wald bei Burg Erorn zugefügt hatte, als er ihm die Hand abschlug. Er schrie, als der Schmerz im Arm ihn fast betäubte und die Pein im Kopf ihn wieder wachrüttelte. Und da wußte er, daß Kwll ihm auch das Juwelenauge seines Bruders geraubt hatte, nun da seine Macht wieder voll hergestellt war. Rote Dunkelheit zuckte durch sein Gehirn. Rotes Feuer entzog ihm die Kraft. Rote Qual verzehrte sein Fleisch.
»- sie gehorchen nur einem Gesetz, dem Gesetz gegenseitiger Treue!« brüllte Jhary. »Wie sehr ich hoffte, Ihr würdet Euch anders entscheiden.«
»Ich bin - «, begann Corum mit schwerer Zunge und starrte seinen Armstumpf an und betastete das glatte Fleisch, wo das Auge gewesen war, »- wieder ein Krüppel.«
»Und ich bin wieder ganz!« jubilierte Kwll. Seine Juwelenhaut funkelte nun viel heller. Er streckte seine vier Beine aus und seine vier Arme, und er seufzte tief vor Freude. »Ganz!«
In einer seiner Hände hielt der ehemals verschwundene Gott das Auge seines Bruders, und er hielt es so, daß es im blauen Licht der Stadt glitzerte. »Und frei!« fuhr er fort. »Bald, Bruder, werden wir wieder die Millionen Sphären durchstreifen, wie wir es vor unserem Kampf taten voll Freude über die Vielzahl und Vielfältigkeit der Schöpfung. Wir beiden sind die einzigen Wesen, welche die wahre Freude kennen! Ich muß dich finden, Bruder!«
»Unsere Abmachung!« drängte Corum und beachtete Jhary nicht. »Ihr verspracht, mir zu helfen, Kwll!«
»Sterblicher, für mich gelten keine Abmachungen. Ich gehorche keinem Gesetz als jenem, von dem Ihr eben erfahren habt. Was schert mich die Ordnung oder das Chaos oder das kosmische Gleichgewicht! Kwll und Rhynn leben um des Lebens willen, etwas anders interessiert sie nicht. Wir kümmern uns nicht um die illusorischen Streitigkeiten der unbedeutenden Sterblichen und ihrer noch unbedeutenderen Götter. Weißt du denn nicht, daß ihr diese Götter träumt! Daß ihr stärker seid als sie? Daß ihr grausame Götter auf euch herabbeschwört, wenn ihr selbst grausam seid? Ist dir das nicht klar?«
»Ich verstehe Eure Worte nicht. Ich weiß nur, daß Ihr Euer Versprechen halten müßt.«
»Ich breche jetzt auf, meinen Bruder Rhynn zu suchen. Dann werfe ich dies Auge ganz in seiner Nähe fort, wo er es leicht finden kann und damit frei sein wird wie ich.«
»Kwll! Ihr habt mir viel zu verdanken!«
»Dir etwas verdanken? Ich erkenne keine Dankespflicht an. Für mich zählen nur meine eigenen Wünsche und jene meines Bruders. Und was verdanke ich dir schon?«
»Ohne mich wärt Ihr jetzt nicht frei.«
»Ohne meine frühere Hilfe würdest du längst nicht mehr leben. Sei mir
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