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Coruum Vol. 1

Coruum Vol. 1

Titel: Coruum Vol. 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael R. Baier
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ein solcher Fund schon vor über vierzig Jahren auf.«
    »Was aus meiner Sicht eher ungewöhnlich ist, steht am unteren Ende der Datumsnotation.« Ich zeigte auf den oberen Teil des zweiten Blattes. Hier waren weitere Schmuckhieroglyphen dargestellt, die sich deutlich von den eher nüchternen Zahlhieroglyphen darüber abhoben.
    »Ich denke, es handelt sich hier um eine Supplementärserie, die neben den Konstellationsdaten des Mondes, weitere mythologische Informationen beinhaltet, die ich jedoch nicht entziffern kann, gefolgt vom 819-Tage Zyklus der Himmelsrichtungen.«
    »Sicher eine der vollständigsten Kalendernotationen, die ich kenne«, sagte Sinistra vor sich hin.
    Ich sah mich in den drei Gesichtern um.
    »Das kommt meines Wissens nicht sehr häufig vor«, stellte ich die Frage offen in den Raum. Alle nickten.
    »Nun zu den Umrechnungen in unseren Kalender«, fuhr ich fort.
    »Die Umrechnung der Hieroglyphengruppe der großen Kalenderrunde ergibt das Datum des 30. Juni 560 nach Christus«, ich sah wieder alle aufmerksam an. Ich hörte keinen Widerspruch. Soweit waren wir also unabhängig voneinander gekommen.
    »Wie sah es zu der Zeit in Tikal aus?«, fragte ich Sinistra.
    Sie lehnte sich in Gedanken versunken kurz zurück. »Mmh«, sie rümpfte ihre Nase.
    »Es gibt nicht viele Informationen. Unbekannt ist, welcher Herrscher dort gerade auf dem Thorn saß. Die dokumentierte Dynastie wurde erst gut einhundert Jahre später gegründet.
    Alle heute bekannten Strukturen, zum Beispiel das Areal des Großen Platzes wurde erst deutlich später um 695 bis 730 erbautet. Das einzige Datum, das mir in dieser Zeit einfällt, ist 562, wo Tikal von dem Nachbarstaat Calakmul überfallen und erobert wurde, was auf einer Stele in Calakmul dokumentiert ist.«
    »Tikal war also deutlich kleiner, als es heute aussieht?« Sinistra nickte.
    »Damit gehen wir davon aus, dass die entdeckte Stadt und Tikal zu gleicher Zeit existierten.« Ich sah Raymond an. »Ließe sich eine Aussage treffen, ob diese neue Stadt um 560 nach Christus größer oder kleiner war als Tikal?«
    »Nur untermauert durch die Hochrechnung, wäre Tikal damals kleiner gewesen«, antwortete er.
    Ich sah die Drei der Reihe nach an. »Die geografische Größe einer Stadt war damals gleichbedeutend mit Bevölkerungsgröße. Wenn Tikal weniger groß war als diese von euch entdeckte Stadt, hätte es weniger Einwohner, Steuerzahler und Soldaten besessen als sie. Und damit weniger Einfluss gehabt.
    Die Wahrscheinlichkeit, dass Siegesstelen in Tikal zu finden sind, die über eine gewonnene Schlacht über diese neue Stadt berichten, ist somit gering. Es müsste vielmehr hier etwas über Tikal zu finden sein – oder nicht?«
    Karen dachte nach. Sinistra sagte nichts. Ich versuchte ihre wippenden Beine zu ignorieren. Raymond sah mich eindringlich an.
    »Gut, soweit stimmen wir überein. Zurück zum Text. Ich denke, die Supplementärserie ist auch wichtig, kann aber im Moment warten. Richtig interessant werden die nächsten Zeilen.« Ich machte eine kurze Pause und suchte auf Karens Schreibtisch nach einem Bleistift.
    »Eine Sache kann ich beweisen.« Ich nahm das zweite Blatt wieder zur Hand und zeigte auf den unteren Teil.
    »Es sind definitiv keine Hieroglyphen aus dem mittel- oder südamerikanischem Raum. Sowohl ihre Geometrie als auch die Schmucklosigkeit differenzieren sie deutlich von den klassischen Maya-Hieroglyphen.« Ich zeigte mit dem Stift auf die entsprechenden Passagen.
    Sinistra nickte. »Wie ich sagte.«
    Ich grinste sie an. »Ich bin daher der Meinung, es handelt sich hier um eine zeichenorientierte Schrift aus Buchstaben und Ziffern, so wie wir sie verwenden.« Sie hörten mir wortlos zu.
    »Was können wir also sagen?« Ich machte es unnötig spannend und fuhr daher ohne weitere Unterbrechung fort. »Folgen wir der inhaltlichen Logik der Maya-Hieroglyphen davor, die in drei unterschiedlichen Kalendersystemen das gleiche Datum darstellt, ergeben sich für mich drei Hypothesen.
    Erstens: Die Zeichen zeigen eine Darstellung des Datums vom 30. Juni 560 nach Christus in einer uns unbekannten Sprache.
    Zweitens: Die Zeichen stellen das Datum in einem weiteren und erweiterten – dem vierten – Kalenderformat dar.
    Drittens – und das widerspräche den beiden ersten Hypothesen – handelt es sich nicht um ein Datum, sondern möglicherweise um die Initialen des Erbauers und erklärt, was mit der Stadt vor über eintausendfünfhundert Jahren geschehen

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