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Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Titel: Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil , Florian Tietgen
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denn die Müdigkeit ließ mich trotz der für Januar eher milden Temperaturen jetzt doch frösteln. Meine Vermieterin war nicht zu Hause. Sie hatte mir einen Zettel auf den Tisch gelegt, auf dem Herd stünde ein Topf mit Gulasch, das ich mir warm machen dürfte. Doch zunächst erhitzte ich Wasser, das ich im Keramikbecken an der Wand meines Zimmers mit kaltem vermischte, zog Hemd und Hose aus, wusch und rasierte mich ausgiebig.
          Mich im Spiegel betrachtend hatte ich das Gefühl, ich hätte Farbe bekommen und ein wenig Gewicht zugelegt. Nach Abschluss der Prozedur zog ich mich wieder an. Es gab nicht viel Auswahl. Praktischerweise hatte ich nur weiße Hemden, nur graue Hosen, alle, wenn nicht identisch so doch zumindest sehr ähnlich im Schnitt. Ich kaufte Brot, Butter, Mettwurst, Schinken und schwarzen Tee, bevor ich, als wären wir verabredet, zu Darius ging – um den vergessenen Schal zu holen.
          Ich klingelte bei ihm, sah durch die Fenster des Treppenhauses Licht aufleuchten, lauschte, ob ich auf der anderen Seite der Tür Schritte die Treppe herabkommen hörte. Ich hörte nur den Schlüssel im Schloss, dann Darius’ Stimme, sein knappes Hallo, als hätte er mich schon erwartet. Den Schal hatte er nicht mitgebracht, stattdessen bat er mich hinein.
          »Wenn man etwas vergisst, möchte man wiederkommen«, sagte er lächelnd, nachdem er seine Wohnungstür hinter mir geschlossen hatte. Ich hängte meinen Dufflecoat an die Garderobe, stopfte den Schal gleich in den Ärmel, um ihn nicht erneut zu vergessen, wenn ich ginge.
          Zum ersten Mal sah ich ihn mit den Augen der Liebe an, die ich seit heute Morgen in mir getragen hatte, zum ersten Mal mit dem Gefühl, welches mir erst auf dem Weg zum Theater so richtig bewusst geworden war: Der Sicherheit, wir gehören zusammen.
          Er trug nur ein Unterhemd zu seinen Jeans. Die Tolle über seiner Stirn war leicht zerzaust, als hätte er sich am Morgen nicht darum gekümmert. Wie selbstverständlich ging er in die Küche, setzte den Kessel auf den Kohleherd und füllte Bohnen in die Kaffeemühle. Ich holte, als wäre ich schon dort zu Hause, das Geschirr aus dem Küchenschrank und stellte es auf den Tisch und legte meine Einkäufe dazu.
          »Und jemand, der Essen mitbringt, möchte bleiben«, ergänzte er.
          »Am liebsten für immer.«
          »Dann würden selbst meine Nachbarn misstrauisch. – Möchtest du lieber Tee?«
          »Gewohnheit«, sagte ich.
          Darius stellte die Kaffeemühle zurück und holte stattdessen ein Tee-Ei aus einer Schublade. »Schön.«
          Wir aßen, tranken Tee, und mussten immer wieder grinsen, wenn wir uns ansahen. Wir sagten nichts, wirklich gar nichts, und fühlten uns trotzdem wohl.
          Nachdem wir den Tisch abgeräumt und das Geschirr gemeinsam abgewaschen hatten, spielten wir Halma. So saßen wir gemeinsam auf dem Sofa, spielten, lachten, gewannen, verloren und genossen die Zeit, in der nur unsere Knie sich berührten. Ich dachte nicht darüber nach, ob ich bliebe und ob wir wieder Sex hätten. Es war so, wie es sein sollte, aber nicht selbstverständlich war. Wir konnten miteinander spielen, uns in den Arm nehmen, durchs Haar streicheln, uns küssen, wann immer uns danach war – ohne Scham, ohne schlechtes Gewissen. Das Spiel geriet in den Hintergrund, die Steine blieben liegen, die Umarmungen und Küsse wurden länger und Darius schob seine Hand unter mein Hemd, streichelte meinen Bauch.
          »Du hast dich heute geärgert.«
          »Nur ein bisschen«, sagte ich erstaunt. »Woher weißt du das?«
          Er drückte mich auf das Sofa, setzte sich an dessen Rand, sodass ich lag und er mein Hemd hochschieben konnte. Dann strich er mit beiden Händen über meinen Bauch.
          »Fritz, der junge Beleuchter, scharwenzelte den ganzen Tag um dich herum, als hätte er nichts zu tun. Sein Meister rief ihn immer wieder, dann verschwand er für einige Zeit, aber sobald er es einrichten konnte, begab er sich wieder in deine Nähe. Du hast so getan, als bemerktest du ihn nicht.«
          Ich fühlte mich wie hypnotisiert, dämmernd genoss ich Darius’ warme Hände, seine Stimme, mit der er mir erzählte, was ich am Tag erlebt hatte.
          »Das stimmt«, sagte ich träge, »aber darüber habe ich mich nicht geärgert.«
          »Dein Chef hat ihn registriert«, fuhr Darius, ohne auf die Unterbrechung einzugehen fort. »Und er hat

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