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Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Titel: Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil , Florian Tietgen
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teilend, betrachten dunkle Facettenaugen, graue Schatten und eine Ruine.
          »Es ist wahr.«
          »Nein«, sagt Darius. »Das Aloisiushaus ist nicht verfallen. Es lebt und hält mich gefangen.«
          Ich höre den Kloß in seiner Stimme, sehe schnell zu ihm. Ob er die Träne auf seiner Wange bemerkt?
          »Komm«, sage ich, ziehe ihn fester an mich, der alte Mann den jungen – wie einen Sohn. »Lass uns etwas essen. Irgendwo, nur nicht hier.« Ich hänge den Kittel an einen Haken und wir gehen hinaus aus dem Gartenhaus, aus dem unaufgeräumten Geruch, den ich für meine Kunst brauche, aus der bedrückenden Dunkelheit des Bildes. Durch die Kälte, er nur im Bademantel, hinüber in das behagliche Licht, in die wohlige Wärme des Hauses, in dem das meiste an seinem Platz steht. »Ich habe nichts gekocht«, sage ich.
          »Das macht nichts«, antwortet Darius. »Ich verhungere bestimmt nicht.« Er folgt mir die Treppen hinauf ins Bad, setzt sich auf die Toilette, während ich mich ausziehe, um schnell die Dämpfe von Terpentin aus meinen Poren zu spülen. Den Kopf stützt er ab, an den Schultern zittert er leicht. Ich streichle ihm durchs Haar, an seinen Wangen entlang bis zum Kinn, möchte ihm ins Gesicht schauen, das er vor mir verbirgt.
          Weint er? Darius, der mich mit so viel Gefühl anfüllt, voller Ruhe jeden Gedanken hören und ertragen kann, der gelassen ein ewiges Leben auf der Straße als Freiheit bezeichnet und die Erfahrungen von Jahrhunderten in seinem jungen Körper trägt? Habe ich ihn überhaupt schon einmal weinen sehen? Im Spiel waren wir uns nahe gekommen, beim Sex näher und in den ausgesprochenen Worten »Du bist es« hatten sich unsere Seelen geküsst und für immer angenommen, dennoch hatte ich es für unvorstellbar gehalten, er könnte weinen.
          Er blickt auf, sieht mir ins Gesicht. Die Tränen laufen über seines, die Augen glänzen. Er lächelt wie zur Entschuldigung.
          »Weißt du, wie oft ich dich beneidet habe?«
          Ich schüttle den Kopf, stehe in Unterhose vor ihm, streichle ihn unablässig, möchte ihm nah sein und möchte einen Schritt weichen. Fühle mich wie ein Eindringling in seine Tränen, dabei sitzt er so ruhig auf der geschlossenen Toilette, als hätte er mich eingeladen.
          »Jedes Mal, wenn ich beim Geschlechtsverkehr auf ein Bild von mir starrte. Weißt du, wie viele Reproduktionen über den Kopfenden schwuler Betten hängen?«
          Erneut schüttle ich schweigend den Kopf. Ein Hauch Bitternis ist in seiner Stimme, wie der einer bitteren Mandel zwischen lauter süßen und dem Rosenöl im Marzipan.
          »Keine Angst«, fährt er fort, »es hat mich nie gestört. Die Bilder waren die Verbindung, die dich für mich am Leben hielt. Wie du aussahst, hatte ich längst vergessen, aber deinen Mut, deine Wut und deine Liebe nicht.«
          Jetzt löse ich mich. Während er spricht, versiegen die Tränen, während er mich ansieht, gewinnt er wieder an Stärke. Ich drehe das Wasser auf, schließe die Tür zu Duschkabine, ziehe sie noch einmal auf. »Wir haben noch den ganzen Abend zum Reden.«
          Raus aus den Worten über meine Bilder, aus dem Geist, der aus ihnen sprechen soll. Es waren immer Bilder der Sehnsucht, schmerzvoll für Heinrich, der sich neben ihnen immer unvollkommen gefühlt hatte, schmerzvoll für mich, weil ich wusste, er hatte recht, schmerzvoll auch, weil mit jedem Pinselstrich daran die Erinnerung für die Ewigkeit gebannt, die Hoffnung aber verbannt wurde. Hätte ich jemals darüber nachgedacht, Darius könnte die Bilder sehen, hätte ich sie nicht malen können.
          Und jetzt erzählt er mir, er kennt sie, hat unter ihnen gefickt, sich ficken lassen und sich dabei mit mir verbunden gefühlt. Jetzt gibt er ihnen einen metaphysischen Rahmen, den ich ihnen nie gestatten wollte.
          »Müssen wir wirklich noch aus dem Haus gehen?«, fragt er. »Es reicht doch, wenn wir uns ein paar Spiegeleier machen.«
          »In Ordnung«, antworte ich und ziehe die Kabinentür wieder zu. Die Facettenaugen, der Schatten und die Ruine haben mich ausgesaugt. Keine Kraft mehr in mir, die sich noch um fantasievolles Kochen kümmern könnte. Nur noch das Verlangen, das heiße Wasser zu spüren, die Augen zu schließen und mich von dem Bild zu verabschieden, das im Gartenhaus lauert und mich morgen wieder rufen wird. So dunkel, dass Spiegeleier wie die aufgehende Sonne

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