Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Corvidæ

Corvidæ

Titel: Corvidæ Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil
Vom Netzwerk:
wüsste.“
    „Aber du sagtest doch, er kümmert sich selbst um die Neuankömmlinge.“
    „Ja, aber er spricht nur durch diese Kästen“, er zeigte auf den Gürtel, „sieht dich durch eigenartige Geräte an und bannt dein Bild in flimmernde Spiegel. Böse Magie.“
    Das Sprechgerät knarzte wieder. „ Muss ich den Doktor persönlich holen?“ Der Tonfall war ruhig, aber selbst durch das Rauschen konnte man die Drohung schwingen hören. „Pünktlichkeit und Gewissenhaftigkeit sind keine leeren Worte. Sie sind der Antrieb, der die Maschinen in Gang hält.“
    Pan begann zu laufen, seine Hufe dröhnten dumpf auf dem schweren Teppichboden. Gelegentlich erhaschte ich einen Blick auf die Türschilder. vERPFUSCHTE vIECHER und bLAUBLINKENDE lAMPEN, bRUTZELN UND bRATEN und aUS STELLKAMMER. Vor einer Tür mit der Aufschrift lABORIUM machten wir halt. Pan öffnete eine Klappe an der Wand , tippte auf mehrere Zeichen und ein Rattern setzte ei n. Aus der Türzarge quoll Dampf. E in Zischen und ein Klacken , und die Tür öffnete sich.
    Eine Frau hob den Kopf, den sie über ein Mikroskop gebeugt hatte , und drückte den Rücken durch.
    „Nicht jetzt“, sagte sie gereizt. „Ich bin so dicht davor.“ Sie kritzelte etwas in ein Notizbuch. „Wenn ich es nur separieren könnte“, murmelte sie. „Die Struktur ist … aber es will nicht passen … möglicherweise …“
    An der Wand standen Käfige, die meisten waren leer, doch aus einem blickten mich ängstliche Augen an. Ein Rhesusäffchen drückte sich an das Gitter, in der Hand eine abgegriffene Holzpuppe . Hinter einer geschlossenen Tür, die in ein Nebenzimmer führte, hörte ich lautes Krächzen.
    „Der Vater wartet nicht gern“, sagte Pan. „Das weißt du doch.“
    „Der Vater behindert meine Forschungen !“ Mit einem Knall landete das Notizbuch in einem Regal. „Wenn er sich aus meiner Arbeit heraushalten würde, dann könnte ich die Zusammensetzung schon entschlüsselt haben. Aber nein, er spielt lieber mit …“ Jetzt sah sie mich an. „Wer sind Sie? Und was haben Sie in meinem Labor zu suchen?“
    Pan legte mir eine Hand auf die Schulter. „Doktor“, sagte er. „ Du solltest jetzt gehen.“
    Begleitet von unverständlichem Schimpfen warf sie ihr Stethoskop in eine Tasche. „Was hat er denn nun wieder erworben?“
    Pan zuckte die Achseln und die Ärztin winkte resigniert ab. Sie knöpfte ihren Kittel zu, öffnete die Tür eines Aktenschranks und stieg hinein. „Wo ist er?“, fragte sie.
    „In seiner Kammer“, antwortete Pan. „Dritter Stock.“
    „Jaja, ich weiß.“ Sie legte einen Hebel um und fuhr nach unten .
    Pan schloss die Schranktür. „Ich muss zurück“, sagte er.
    Das Krächzen aus dem Nebenzimmer wurde lauter. Ich presste ein Ohr an die Tür. „Vögel“, flüsterte ich und rüttelte an der Klinke. „Kannst du die Tür öffnen, Pan?“
    „Nein!“
    „Bitte, ich muss sehen, was sich dahinter verbirgt. Was ist das hier überhaupt für ein Labor? An was arbeitet die Ärztin?“
    Pan berührte vorsichtig eine der Gerätschaften, die aussah wie ein Tischbohrer, an den Zahnräder und Antriebsriemen angebracht worden waren . „Das Laborium ist ein schlechter Ort“, flüsterte er. „Ich sah einige hineingehen, aber nur wenige kamen zurück. Und die, die wieder kamen , waren s abbernde Hüllen ohne Inhalt, greinende Babys und verwirrte Alte, die sich in die Hosen machten.“ Er nahm einen Schluck aus seinem Flachmann, schüttelte ihn und steckte ihn seufzend zurück in die Tasche. „Der Doktor sucht etwas , das dem Vater so wichtig ist , dass der Preis keine Rolle spielt.“
    Mein Magen krampfte sich zusammen. Ich hoffte, dass es Rokan und Jacques gut ging, dass sie womöglich an einem anderen Ort gelandet waren, aber mein Gefühl sagte mir etwas anderes.
    „Hast du Freunde, Pan?“, fragte ich.
    Er stützte sich am Tisch ab und begutachtete einen kleinen silbernen Hammer. Dann sah er mich an. „Ich hatte einmal Freunde“, sagte er. „Wie lange mag das her sein?“ Er zupfte an seinem Bart. „ Die Tage gleichen sich wie ein Küken dem anderen und die Zeit blubbert dahin, wie die rote Suppe unter dem Rumpf dieses Schiffes. Ohne Sinn und Zweck. Und ohne Ziel.“
    Er öffnete die Klappe neben der Tür, tippte eine Zeichenfolge ein und nach einigem Rattern und Dampfen, entriegelte sie sich.
    Mit klopfendem Herzen trat ich ein. Es roch nach Urin und Schweiß und Furcht. Das Krächzen und Rascheln verstummte, ich konnte Blicke auf mir

Weitere Kostenlose Bücher