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Corvidæ

Corvidæ

Titel: Corvidæ Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil
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weil es besser ist, irgendetwas zu tun, als Jahr um Jahr auf ein Ende zu warten, das niemals eintritt.“
    „Wie lange bist du denn schon hier?“
    „Zeit ist bedeutungslos an diesem Ort“, sagte er. „Die Uhren ticken und ticken und die Zeiger drehen sich doch immer nur im Kreis herum.“ Er nahm noch einen Schluck aus seiner Flasche und ich bemerkte, dass er schwankte.
    „Du solltest nicht so viel …“
    „Nein?“ Seine Stimme war schneidend. „Und warum nicht? Welche Rolle spielt es? Was würde es ändern?“
    „Dich“, sagte ich. „Vielleicht würde es dich ändern.“
    Wir liefen schweigend weiter. Rokans Miene war verstein ert und Pan sah mich nicht einmal mehr an.
    kASTRIERTE kOETER, hEFTIGE hITZE, sCHLAG zU , fLIMMERNDE aUGEN. Ich senkte den Blick und achtete nur noch auf meine Schritte, ich wollte das nicht lesen, wollte mir nicht vorstellen was hinter diesen Türen vorging . Nach einer Weile deutete Pan auf eine n Vorhang , dahinter befand sich eine Tür, die mit zWEIUNDVIERZIG gekennzeichnet war .
    Wir traten ein und ich roch jahrhundertealten Staub, hörte Flüstern und Rascheln, zaghaftes Blättern, spürte vorsichtiges Atmen.
    Pan entzündete ein Gaslicht und, wie bereits im Labor, setzte er damit eine Kettenreaktion in Gang. Licht um Licht begann zu flackern, bahnte sich seinen Weg über Wände, die so hoch waren, dass ich die Zimmerdecke nicht sehen konnte, vorbei an Regalen, die über und über mit Büchern, Schriftrollen und Stapeln loser Blätter gefüllt waren.
    Pan deutete auf die Regale, die sich endlos aneinander reihten. „Hier lagert e das Wissen der Welt. Das Wissen aller möglichen Welten.“
    Ich starrte mit offenem Mund die Regale an , während Rokan schon einen dicken Wälzer aus dem Regal gezogen hatte und ihn achtlos auf den Boden fallen ließ . Wahllos griff er Bücher heraus, blätterte darin und warf sie fort.
    „Rokan, was machst du denn?“ Ich hob das Buch auf, pustete den Staub vom Einband und schlug es auf. Leer. Kein Wort, kein einziger Buchstabe.
    „Sie sind alle leer“, sagte Pan, der mir über die Schulter gesehen hatte. „Jedes einzelne. “
    „Du hast sie gelesen?“
    Er schüttelte den Kopf. „ Ich mochte die Bilder darin und kam oft hierher, um sie anzusehen. Aber nach und nach … Es scheint, als wären sie ausradiert worden … Oder niemals da gewesen. “
    „Wer hat die Bücher zusammengetragen?“ Ich strich über die edlen Buchrücken, Leder, Golddruck. „Der Vater?“
    „Ich denke nicht. Auch der Vater ist nicht immer an diesem Ort gewesen. Er kam von irgendwo hierher, irgendwann, genau wie alle anderen.“
    Rokan stieg eine Leiter herunter und kam zu uns zurück , schleuderte den Rucksack wütend auf den Boden . „Alle Bücher, die ich angesehen habe, sind leer. Ich dachte, wir würden hier etwas finden. Irgendeinen Hinweis.“
    Wir setzten uns an einen der Tische, die wahllos im Raum verteilt standen. Rokan wischte den Stau b weg, legte das Tagebuch auf die Tischplatte und stützte den Kopf in die Hände. „Das ist alles, was wir haben, und das ist weniger als Nichts, denn die Informationen sind nicht verlässlich. Ich habe keine Ahnung, wo wir nach Darko und dem Mädchen suchen sollten. Vielleicht sollten wir aufgeben. Es i st h offnungslos.“
    „Nein, Rokan, sowas darfst du nicht denken“, sagte ich und drückte seine Hand. „Es gibt immer Hoffnung. Wir sind bis hier her gekommen und wir werden es auch bis zum Ende schaffen.“
    „Also gut.“ Rokan klappte das Buch auf. „Wenn sie durch den Riss gegangen sind – vorausgesetzt es war der gleiche – , dann müssen sie hier gelandet sein, genau wie wir. Entweder sie haben einen Ausweg gefunden, oder sie sind noch auf dem Schiff . Lebendig oder tot.“
    „Ich frage mich, ob die Besucher katalogisiert werden. Pan?“ Ich stupste ihn an und er schreckte auf. „Gibt es Besucherlisten? Oder Aufzeichnungen über die Akteure?“ Er zuckte die Achseln. I ch seufzte und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht .
    Pan zupfte an seinem Bärtchen und Rokan legte die Stirn in Falten. „ Der Doktor legt die Haare in ein Gerät, das rattert und blinkt“ sagte er. „Dann teilt sie die Leute in Gruppen ein. Ich habe es beobachtet, als ich schon gefangen war. Die meisten scheinen uninteressant für sie zu sein, aber manche – wie ich – haben irgendetwas, das sie will.“
    „Deswegen nehmen sie die Haare. Verdammt, warum bin ich da nicht gleich drauf gekommen? Sie analysieren die DNS.“

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