Cosa Mia
in
mir drin. So zu küssen, es war das reinste Wunder.
Aber es blieb bei diesem plötzlichen Ausbruch gegenseitiger
Begierde, die uns überwältigt hatte, denn unweit auf dem Flur hörten wir die
Schritte von Emidio. Schwer atmend ließen wir voneinander ab und ich konnte
nicht umhin, ich musste einfach lächeln. Es war das Lächeln des beinah
Ertappten, das wissende Lächeln des Verführers, der sich nun in Sicherheit wog.
Auch Sabatino lächelte und entfernte sich rückwärts, aber nicht ohne eine
gewisse Verlangsamung in Schritt und Gebärde, als kostete es ihm Mühe.
Auch das nahm ich nicht ganz ohne Genugtuung zur Kenntnis und
begann nun, mich um ein erwartendes Gesicht zu kümmern, was inständig auf
trockene Sachen und Emidio wartete, denn ich spürte noch den erregenden Hauch
auf meinen Lippen und in meinem Blick. Sabatino stand in völliger Gelassenheit
gegen den Türrahmen gelehnt und lächelte fies zu mir herüber.
Welche Kraft und Selbstbeherrschung er jetzt wieder
ausstrahlte, wie überlegen er über mich herausragte. Nichts und niemanden, so
dachte ich, konnten ihn erschrecken oder um seine Beherrschung bringen, keine
Schießerei, kein Toter von seinen eigenen Leuten, er kannte keine Angst vor
seinen Feinden (Freunde, so nannte er sie immer) und sein Blick war frei von
allen Emotionen, wenn er es so wollte.
Ohne Regung schauten mich seine dunklen, fast schwarzen Augen
an.
Es war wie eine Sinnestäuschung, wie ein Traum, diese
Erregung, die wir beide gespürt hatten, und doch war es real gewesen. Ich hatte
ihn aus der Fassung gebracht, mir war es gelungen, ihn zu verwirren.
Diesen köstlichen Triumph hatte ich bewirkt. Ich fühlte mich
erhoben und mächtig zugleich, ich, der ich erst kurz zuvor Angst gespürt hatte.
Und nebenbei fragte ich mich, nicht ganz unbesorgt, ob Emidio von den Vorlieben
seines Onkels wohl wusste oder nicht. Emidio trat ein. Grinsend und schon
umgezogen, reichte er mir neben einem Handtuch ein paar Sachen, die ich schnell
anzog, nachdem Sabatino gerufen wurde und uns verließ. Das Hemd spannte ein
wenig um meine Schultern, aber ansonsten passte mir alles ziemlich gut.
Die Gesellschaft rund um die Villa hatte uns wieder und ich
scherzte und plauderte mit meinem Freund, wir tranken Wein und aßen feinen Käse
von silbernen Platten dazu. Wir waren in bester Laune. Angetrunken liefen wir
fast rennend und immer noch barfuss durch die Grüppchen von Menschen und
lachten und trieben unsere Späße mit ihnen. Zwischendurch schöpften wir neue
Energien weiter hinten im Garten, wo die vielen Marmorstatuen standen, denn
dort war es ruhiger und beinahe verlassen. Dann erzählten wir uns von unseren
Zukunftsphantasien und was wir mal machen würden, wenn wir alle Möglichkeiten
dazu hätten.
„Stell dir vor, du könntest sogar Kunst studieren an
irgendeiner Uni und solche Statuen schaffen, wie sie hier stehen!“, schwärmte
Emidio. „Ja, oder welche von den verrückten Dingen, wo man wenig mit anfangen
kann und was sich dann moderne Kunst nennt!“
„Genau, Paolo -du wirfst ein paar Farbeimer durch die Gegend,
spuckst drauf und alle finden’s toll! Aber lass mal, unsere Familie kann das
auch nicht leiden, guck dich doch nur um, Onkel Sabatino mag die alten Meister
und hat alles eigenhändig ausgesucht. Auch die Bilder im Haus.“
„Tatsächlich? Gefällt mir auch.“ Ja, er hatte Stil, auch wenn
ich mich damals nicht allzu gut damit auskannte.
„Aber ich glaube, dazu muss man nicht studieren.“, überlegte
ich. „Es reicht doch ein Steinklotz, das Werkzeug und Talent. Und dann haust du
einfach darauf los, als Künstler braucht man schließlich Talent und das kann
man nicht studieren.“
„Aber die Techniken kann man studieren und darin Erfahrungen
sammeln.
Doch, Paolo, bei manchen modernen Sachen frag ich mich aber
auch schon, wo das Talent bleibt!“
„Vielleicht haben die das Talent zum Wahnsinn und Unsinn!“ Da
lachten wir beide.
Es war wirklich eine schöne Nacht und ich bereute nicht
hergekommen zu sein, auch wenn ich noch ein wenig verwirrt war über diesen
Kuss, vor gar nicht langer Zeit. Emidio sah zu den Sternen auf und nippelte an
unserer Flasche, die wir kurzerhand aus dem Weinkasten genommen hatten. Aber
richtige Säufer waren wir nicht, das nur am Rande.
„Woran denkst du gerade?“, wollte ich wissen.
„Ach, ich stell mir nur vor, wie es ist, wenn ich mal aus
Italien auswandern würde, ob die Sterne dann irgendwie anders aussehen werden?“
Dabei
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