Cosa Mia
frei gehabt. Sie waren beide Mitte zwanzig und
könnten Brüder sein, so ähnlich waren sie sich. Und natürlich waren sie
gutaussehend, denn schließlich sahen die Gäste lieber hübsche und freundliche
Gesichter,
darauf wurde bei uns bereits im Vorstellungsgespräch
geachtet.
Dennoch machte die Arbeit im „Maitani“ Spaß und meine
Lehrzeit in Spoleto half mir sehr, mit den Gästen umzugehen. Spoleto rückte ein
wenig in den Hintergrund, war weit weg, denn Venedig zwang mich förmlich ein
ganz neues Leben zu führen, denn Venedig war anders, als alles andere, was ich
bereits in Italien kennengelernt hatte. Die Stadt im Wasser ließ keine
Ablenkung zu, entweder ich schwamm auf der schäumenden Woge oder ich wurde in
die schlammigen Tiefen gezerrt, was anderes gab es nicht. Ich lernte beides
kennen und erkannte, wie die Stadt meine Stimmungen diktierte, wenn ich nicht
aufpasste, aber auch, wie sie mich in sonnige Höhen geleiten konnte, wenn sie
wollte.
Spoleto war ein Dorf dagegen, ein jungfräuliches Gebilde, ein
Kind mit Urvertrauen, was jeden umarmt, der kommt. Venedig ist erwachsen,
todernst und streng, trotz dem Karneval. Aber was rede ich, wie bei einer
strengen Frau tut es auch hier gut, sie ab und zu links liegen zu lassen, mit
dem Boot hinaus zu fahren oder auf dem Festland den Nachmittag zu verbummeln.
Und wie sah es in meinem Herz aus? Ich versuchte, so wenig
wie möglich, hineinzusehen und der Stress auf der Arbeit war mir ganz recht,
denn er lenkte mich davon ab.
Es war nur ab und zu vor dem Einschlafen, wo mich die Bilder
und die schönen Erinnerungen sehr schmerzhaft heimsuchten. Das war ja gerade
die schlimmste Folter, dass es fast nur schöne und angenehme Erinnerungen
waren, die ich hatte. Es ist doppelt so schwer, von schönen Dingen zu lassen,
als von hässlichen. Und hinter all dem Schmerz spürte ich, dass ich noch liebte
und ich wünschte mir, daß es schnell vergehen würde. Mehr als ein Jahr verging
die Zeit fast wie im Flug. Und ich wurde im Hotel auch verlängert.
Und dann kam eines Tages sie: Isabella! Wer war Isabella?
Isabella, das wunderschöne Mädchen, was einen Nachts mit einem unserer Gäste in
das Hotel hineinspazierte, lieblich lächelte und sich die Haare zurückstrich,
während unser Gast ankündigte, am nächsten Morgen auschecken zu wollen.
Isabella, die blonde, goldene. Isabella, die Hostesse und Escort-Dame. Der
erste Eindruck, den ich von ihr hatte, hatte so eine Magie, so einen Zauber in
sich getragen, dass es mir mit einem Male völlig gleichgültig war, womit sie
ihr Geld
verdiente. In diesen kurzen Augenblicken wusste ich, dass ich
sie nicht das Hotel verlassen lassen durfte, ohne sie zu sprechen. Isabella und
ich wurden auch tatsächlich ein Liebespaar und trafen uns in der Freizeit und
ohne dass ich dafür bezahlen musste, so wie die anderen älteren Herren, die sie
für ihre Begleitung und ihren Service teuer entlohnen mussten. Aber das taten
sie gerne, denn Isabella war jung, hübsch und humorvoll. Auch konnte man sich
mit ihr unterhalten, denn sie war nicht dumm. Doch sie nannte mich die meiste
Zeit ihren „Kleinen“ oder ihren „Armor“ oder „Cupido“ Aus Trotz darüber hatte
ich mir die Haare abgeschnitten, da mir meine Engelslöckchen nicht mehr
gefallen mochten. Das hatte sie zwar erzürnt, aber sie verließ mich nicht.
Meine Eltern waren hin und weg, als ich ihnen ein Foto von
uns beiden geschickt hatte und hörten bereits die Hochzeitsglocken läuten.
Natürlich wussten und ahnten sie nicht, welcher Arbeit Isabella nachging. Die
meiste Zeit waren wir bei ihr zuhause, da ich noch in der WG lebte, mir aber
auch bald eine eigene Einzimmerwohnung suchen wollte. Sonst wusste sie so gut
wie gar nichts über meine Vergangenheit mit den Dunkelmännern.
Und auch ich konnte nur mit den Kopf schütteln, wenn ich mir
ins Gedächtnis rief, wie dumm und naiv ich der gut organisierten Verbrecherwelt
entgegen getreten und wie blind ich gewesen war. Oder es war die Sonne? Hier im
dramatischen Venedig begann ich klarer zu sehen und ich musste mir innerlich
eingestehen, dass Sabatino mich sicher an der einen oder anderen Stelle
angelogen hat. Ich begann, mich darüber zu bilden und mir in der Bibliothek
Bücher über das organisierten Verbrechen und den ganzen Mafia Strukturen im In-
und Ausland einzuverleiben. Was ich las, schockierte mich, aber teilweise war
es mir auch vertraut und ob ich wollte oder nicht, da in mir schien es noch
einen Teil zu geben,
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