Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cosm

Cosm

Titel: Cosm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
Vom Netzwerk:
kaufen waren. Jill erzählte sehr gut, baute genau die richtigen Details ein und wahrte stets das Niveau. Alicia hätte gern ein paar Anekdoten aus Jills und ihrem ersten Jahr in Berkeley beigesteuert, zum Beispiel, wie Jill, die ›Miss Vulgär‹ des Schlafsaals, sich erboten hatte, im verdunkelten Raum Fürze anzuzünden, und – ›eine aufsehenerregende, wissenschaftliche Leistung‹ – mit langen Küchenstreichhölzern ganz beachtliche bläulich-orangefarbene Flammenstöße von dreißig Zentimetern Länge erzielte. Allerdings hatte sie zu viel getrunken, um mit der nötigen Leichtigkeit erzählen zu können. Sie holte sich einen neuen Drink, und Jill sagte mit jener taktvollen Besorgnis, die für sie typisch war: »Zurückhaltend bist du aber nicht gerade.«
    »Du wolltest doch, daß ich aus mir rausgehe.«
    »Schon, aber du mußt nicht gleich übertreiben.«
    »Als kleines Mädchen habe ich meinen Dad mal gefragt, woran man merkt, daß man betrunken ist. Er sagte: ›Siehst du die beiden Männer da drüben? Wenn es auf einmal vier sind, bist du betrunken.‹ Darauf sagte ich: ›Aber Dad, da sitzt doch nur einer.‹ Das Gesicht meines Vaters hättest du sehen sollen. Und« – ein vielsagender Blick zu Jill – »er hat mich nie wieder damit genervt.«
    »Nichts für ungut«, sagte Jill. »Ich glaube, es wird allmählich Zeit.«
    »Ach komm schon, ist doch noch viel zu früh.«
    Sie überredete Jill, ihre Glanzrolle zu spielen, eine Frau aus den sechziger Jahren auf LSD-Trip, die mit Freunden beim Essen sitzt: »Habe ich den Bissen in meinem Mund auch wirklich schon dreihundert Mal gekaut? Sind sie mir jetzt auf der Spur? Du meine Güte, das Wasser ist ja so naß . Ist das das gleiche Stück Hamburger, das mir eben so merkwürdig vorkam? Oder war das schon vor einer halben Stunde. Ist Essen nicht ohnehin vollkommen bedeutungslos?«
    Irgendwann fand Alicia alles komisch, und so bekam sie nur noch wie aus weiter Ferne mit, wie Jerome sie zu seinem Wagen führte. Jill begleitete sie, und als Jerome auf die Fahrerseite ging, um einzusteigen, flüsterte sie: »Nimm dich vor dem in acht.« Dann fuhren sie auch schon los.
    Die Lichter rasten vor der Windschutzscheibe vorbei. Alicia versicherte sich feierlich, es sei nicht etwa so, daß sie sich von einer Fleischbeschau für Singles einen Kerl mit nach Hause nehme, nein, ganz im Gegenteil, sie werde doch nach Hause gebracht. Alle weiteren Bedenken verscheuchte sie wie lästige Mücken.
    Da war auch schon Laguna, sie stiegen aus, die Welt drehte sich jetzt sehr schnell. Die Zeit machte Sprünge, beschleunigte wie der Cosm, sagte sie laut, aber Jerome verstand nicht, was sie meinte. Die Wohnungstür aufgesperrt, mit rebellierendem Magen das Flurlicht angemacht, Jerome plötzlich ganz nahe, sein warmer, duftender Atem, seine Hände erst oben, dann immer weiter nach unten wandernd. Seine Zunge in ihrem Mund – sie konnte nicht mehr atmen, und als seine Hände plötzlich schmerzhaft zupackten und sein Körper sie fest gegen die Schranktür preßte – viel zu heiß in der Wohnung, sein Gesicht viel zu nahe – war ihr Kopf mit einem Schlag wieder klar. »Nein, ich bin nicht … Nein, ich will nicht … Bitte, nicht …«
    Jerome lachte leise und redete ihr gut zu, aber sie hörte die unterschwellige Drohung, er schob sie ins Wohnzimmer, sie stolperte, auf einmal war ihre Bluse weg, sie hob schützend die Arme, taumelte zurück, plötzlich fiel grelles Licht durch den offenen Torbogen, und Max war da.
    »He, verschwinde!« sagte Max.
    »Verdammt, was willst du denn hier?« fragte Jerome.
    »Laß die Finger von ihr.«
    »Bist du vielleicht ‘n Spanner oder so was, Mann …?«
    »Hau ab!«
    »Schleicht sich einfach hier rein …«
    »Ich komme gut allein zurecht«, erklärte Alicia würdevoll, dann stolperte sie, fiel auf die Couch und vergrub ihr Gesicht in einem Kissen.
    Das letzte, was sie mitbekam, war, daß Max ins Wohnzimmer trat und daß Jerome ihn beschimpfte und zurückstoßen wollte. Dann ging auf einmal alles sehr schnell, und ihr war sterbensübel. Max und Jerome rangen miteinander, dann schwebte nur noch Max über ihr in der Luft, und sie schloß die Augen, um wieder etwas Ordnung in die Welt zu bringen. Sie brauchte nur ein klein wenig Ruhe, dann würde sich alles klären.



----
     
    »Nicht aus dem Weltall beziehe ich meine Würde, sondern aus der Autorität meines Denkens.
    Und wenn ich Welten besäße, ich hätte nicht mehr.
    In den Weiten des Alls

Weitere Kostenlose Bücher